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Wie isst man ohne Messer und Gabel? Und wie funktioniert das Gänseessen am 11. November?

Millionen Gänse büßen dafür, dass das Geschnatter ihrer Vorfahren den Sankt Martin verraten hat (Foto: Kwak)

Was kann man ohne Messer und Gabel, also mit der Hand essen? Die typische Antwort des Juristen lautet „Es kommt darauf an.“ Und sie stimmt auch hier. Nämlich auf den Ort. Bei einem förmlichen Essen wird man sich immer mit Messer und Gabel abmühen müssen. Ausnahme Artischocken. Da kann man die Blätter mit den Händen abzupfen und in die Vinaigrette-Sauce tauchen. Deswegen gibt es bei förmlichen Anlässen, wenn überhaupt, bereits zubereitete Artischockenherzen.

Nur einmal habe ich bei einem Staatsbankett gesehen, dass jemand mit der Hand zugegriffen hat, nämlich Staatspräsident Jacques Chirac, der eine Marzipanverzierung von dem  ̶  an ihm nur vorbeigetragenen  ̶  Kuchen mit den Worten stibitzte: „Ich mag sie so gerne!“ Er tat das wahrscheinlich zur Auflockerung und konnte es sich erlauben, weil er der Gastgeber war.

Hühnerkeulen und Rippchen

Bei Tisch sollte man das Essen nur dann in die Hand nehmen, wenn der Gastgeber oder die Gastgeberin es erlauben oder vormachen. Das dürften dann eher formlose Essen im Familien- und Freundeskreis sein. Besonders dankbar wird diese Erleichterung bei Geflügel, also Hühner- und Gänsekeulen, bei Rippchen oder auch bei Pizzas aufgenommen, die gelegentlich einen brachialen Einsatz von Messer und Gabel erfordern.

Es kommt also auf den Ort an, ob man auf Messer und Gabel verzichten kann. Ganz offensichtlich ist das bei der Würstchen- und Dönerbude der Fall, wo alles, von einem Plastikgäbelchen für die Currywurst ausgenommen, zum Verzehren mit der Hand vorbereitet ist, und beim sommerlichen Picknick im Freien.

Mit Hummerbesteck

Im Übrigen empfiehlt sich ein Blick darauf, welche Essensutensilien die Gastgeber zum Gebrauch vorgesehen haben. Die sollte man nutzen. Im Prinzip kann man aber, wenn man sich die Hände nicht feucht und klebrig machen will, alles mit Messer und Gabel essen, vom Hühnerbein bis zum Obst beim Nachtisch. Es erfordert nur etwas Übung. Wobei ich gestehe, dass ich lieber auf den Nachtisch verzichte, als dass ich einem Pfirsich (und das geht noch relativ leicht) mit Messer und Gabel zu Leibe rücke. Für einige Gerichte wie Hummer und andere Krustazeen (Krebstiere) gibt es besondere Bestecke, die der Gastgeber, der sie anbietet, auch bereitlegen sollte.

Wie Sankt Martin durch Schnattern verraten wurde

À propos Gänsekeule: Haben Sie sich schon mal gefragt, warum am Martinstag, dem 11. November, traditionell gerne Gänse gegessen werden? In Wien wird um diese Zeit in den Restaurants wochenlang ein „Ganslessen“ angeboten. Die armen Tiere haben es sich aber selber zuzuschreiben. Als Sankt Martin, der Mann also, der als römischer Offizier seinen Mantel mit dem Bettler teilte, sich in der christlichen Gemeinde von Tours großes Ansehen erwarb und Bischof von Tours werden sollte, hielt er sich nicht für würdig und versteckte sich vor der „Berufungskommission“ im Gänsestall. Worauf die Gänse laut zu schnattern anfingen und sein Versteck verrieten. Martin wurde Bischof und die Gänse wurden von da an von den Gläubigen (die eigentlich hätten dankbar sein sollen, hatten sie doch durch sie einen tollen Bischof bekommen) an seinem Geburtstag, dem 11. November, bevorzugt vertilgt.

Dr. Wolfgang Schultheiß ist Botschafter a.D. und war Leiter der Auslandsabteilung des Bundespräsidialamts unter den Bundespräsidenten Rau und Köhler.

Mehr finden Sie in seinem Buch „Umgangsformen. Protokoll und Etikette. Privat und im Beruf“, erschienen im LIT Verlag, Münster.

Für die Leser von diplo.news beantwortet er Fragen zu Umgangsformen.