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EVP-Fraktionschef Weber plädiert für die Stärkung des EU-Binnenmarkts

Manfred Weber spricht in seiner Berliner Europarede über Reaktionen auf Trump, europäische Verteidigungsanstrengungen und den Mut zur EU-Erweiterung noch in dieser Legislaturperiode
November 11, 2025
November 11, 2025

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), hielt in diesem Jahr die traditionsreiche Europarede im Berliner Allianzforum (Foto: Dometeit)

Europa sollte nach den Worten des Fraktionsvorsitzenden der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, wieder mehr an seinen Binnenmarkt glauben und Wachstum aus sich selbst heraus generieren. Dazu gehörten eine Kapitalunion, damit nicht jedes Jahr rund 200 Milliarden Euro aus europäischen Banken vor allem in die USA abflössen, ebenso wie eine Energieunion Deutschlands mit Frankreich, Tschechien, Polen oder Österreich und eine Innovationsunion nicht nur für technologische Neuerungen, sondern auch, um zum Beispiel Krankheiten wie Krebs zu besiegen. Weber hielt am Montag abend die traditionelle Europarede im Berliner Allianzforum. Der CSU-Politiker entwarf dabei seine Vorstellungen von der Zukunft der Europäischen Union. Die EVP stellt die größte Fraktion im EU-Parlament und mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola die wichtigsten Spitzenpositionen.

Wenn die USA und China als Handelspartner immer schwieriger würden, müsse sich Europa nach neuen Partnern umsehen, forderte Weber. „Europa hat die irre Chance, wieder Zentrum einer regelbasierten Handelsordnung zu werden.“ Wer enttäuscht von Donald Trump sei, müsse für Verträge wie das Mercosur-Abkommen mit Lateinamerika stimmen, das 750 Millionen Verbraucher in einem Markt zusammenführen werde. Solche Abkommen seien „beste Anti-Trump-Abkommen“ , erklärte er unter dem Beifall der Zuhörer.

Das Thema Bürokratieabbau in der EU streifte der langjährige Europapolitiker nur kurz. Die Sorgen der Wirtschaft im Hinblick auf Überregulierung nehme Brüssel ernst. So will das EU-Parlament am Donnerstag erneut über ein entschärftes Lieferkettengesetz abstimmen, nachdem ein Kompromiss im Oktober geplatzt war. Das in der Unternehmerschaft äußerst umstrittene Gesetz will über umfangreiche Berichtspflichten zu mehr Umweltschutz und zur Beachtung von Menschenrechten erziehen. Bisher galt es für Betriebe ab 1.000 Mitarbeitern, künftig soll es nach dem Willen der EVP (und der Sozialdemokraten und Liberalen) erst für Konzerne ab 5.000 Mitarbeitern gelten. Er selber, so der EVP-Chef, spreche sich dafür aus, das Gesetz nur noch für Großkonzerne, nicht aber für die mittelständische Industrie gelten zu lassen. Er hoffe, dafür im Parlament Mehrheiten zu finden.

Europa müsse groß denken, forderte er weiter. Es stelle sich die Frage, ob die Union den Mut habe, die Erfolgsgeschichte der Erweiterung weiterzuführen. So warb Weber dafür, auch die Republik Moldau in die EU aufzunehmen. Er habe größten Respekt für deren Staatspräsidentin Maia Sandu – deren Partei Mitglied der EVP ist –, die es vor der jüngsten Wahl geschafft habe, pro-europäische Mehrheiten gegen russische Beeinflussung zu organisieren. Das Land brenne für europäische Ideen. „Es wäre aus meiner Sicht der historisch schlimmste Fehler, wenn wir diesen Menschen die Türe zuschlagen.“ Noch in dieser Legislaturperiode müsse die EU historische Antworten geben. Auch im westlichen Balkan gebe es viel Desillusion und Enttäuschung. Die Union könne entweder Stabilität Europas in diese Länder exportieren oder die Instabilität auf dem Westbalkan nach Europa holen. Allerdings könne die EU nicht nur über Erweiterung nachdenken, sondern müsse auch ihre eigene Grenzen erkennen. So sieht Weber die Türkei nicht als künftiges Mitglied der EU, ihr müsse man aber wie Großbritannien oder der Schweiz enge Kooperationsmöglichkeiten anbieten.

Die europäische Verteidigung stärken und "gesunden europäischen Patriotismus" pflegen

Europa sollte nach Meinung des EVP-Fraktionschefs zudem mehr in seine Verteidigungsfähigkeit investieren. Der Kontinent stehe in einer Welt der Stürme militärisch ziemlich nackt da. „Wir brauchen jetzt den Mut, ein klares Ja zum europäischen Verteidigungspfeiler zu sagen. Jetzt ist der richtige Moment dafür.“ Effizientere Beschaffung gehöre dazu, ebenso wie eine gemeinsame Abwehr durch einen Drohnenwall oder Raketenabwehr an der östlichen Grenze der EU. Und wenn beispielsweise die Schweiz Deutschland um Daten zur Drohnengefahr bitte, warum gebe es dann nicht gleich auch ein gemeinsames europäisches Lagebild, regte Weber an. Oder warum könnten nicht auch europäische Truppen gemeinsam im Ausland Verantwortung übernehmen? Europa habe derzeit keine Kompetenzen in militärischen Fragen. Die Europäer müssten jedoch darüber nachdenken, wie neben den Stärken der nationalen Verteidigungskraft auch in europäische Strukturen investiert werden könne.  

Die Europäer, forderte Weber, sollten stolz auf den „european way of life“ sein. Und die Mitglieder der EU müssten Europa auch Erfolge gönnen können. So habe die EU im Vergleich zu Staaten wie der Schweiz gute Ergebnisse bei den Zollstreitigkeiten mit den USA erreicht, ebenso bei der Begrenzung der Migration über das Mittelmeer oder die Balkanroute. „Wir dürfen nicht weiter formulieren, dass in den nationalen Hauptstädten die Sonne scheint und es in Brüssel dauernd regnet.“ Bisher habe man Europa immer nur funktional begründet, es solle sich künftig mehr als Schicksalsgemeinschaft mit einem „gesunden europäischen Patriotismus“ begreifen. „Regionale, nationale und europäische Identität gehören für uns zusammen.“

Kritikern, die Weber in jüngster Zeit vorgeworfen hatten, mit rechten Randparteien im europäischen Parlament zu liebäugeln, versicherte er, dass die Christdemokraten nur mit Parteien zusammenarbeiten würden, die pro-europäisch, pro-ukrainisch und pro Rechtsstaat seien. „Unsere klare Abgrenzung von denen, die Europa bekämpfen und hassen, ist ohne Zweifel.“

Die jährliche Europaveranstaltung organisiert die Konrad-Adenauer-Stiftung. Ihr Vorsitzender, der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert, leitete sie zum letzten Mal ein. Am 16. Dezember wählt die Parteistiftung eine neue Spitze. Dafür hat die ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Hut in den Ring geworfen.

gd