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Das Trauma einer europäischen Tragödie

Berliner Gedenkstunden zum Massaker in Srebrenica - erinnern an schreckliches Leid aber auch an kollektives Versagen
July 11, 2025
July 11, 2025
"Majke Srebrenice" (Mütter von Srebrenica) - das Ausstellungsplakat in der bosnischen Botschaft zeigt ein Foto von Almin Zrno, einem der renommiertesten Fotografen aus Sarajevo (Foto: Dometeit)

Selma Jahic war sieben Jahre alt, als sie Zeugin einer der größten Tragödien der Nachkriegsgeschichte in Europa wurde. Weinend beschrieb die Großmutter im Juli 1995, wie serbische Milizen ihren Mann aus ihren Armen gerissen hatten. Sie sahen ihn nie wieder. Erst 2007 fand das Rote Kreuz bei Ausgrabungen Knochen des Großvaters in zwei verschiedenen Massengräbern in der Nähe von Srebrenica. Was sich zwischen dem 11. und 19. Juli vor 30 Jahren in der bosnischen Kleinstadt Srebrenica zutrug, war nicht nur ein brutales Exempel ethnischer Säuberung im zerfallenden Jugoslawien. Es war zugleich auch ein Menetekel für die internationale Gemeinschaft.

Serbische Truppen, befehligt von General Ratko Mladic, ermordeten damals 8372 Männer und Jungen jeden Alters, und auch rund 600 Frauen - unter den Augen unbewaffneter UN-Blauhelmsoldaten. Sie hatten sich hilflos in die Kasernen der UN-Schutzzone zurückgezogen. Jahic beschrieb ihre traumatischen Erlebnisse bei einer Gedenkstunde zum 30. Jahrestag in der bosnischen Botschaft in Berlin. DIe UN erklärte erst im vorigen Jahr den 11. Juli zum internationalen Gedenktag.

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und ein UN-Tribunal haben die Massenexekution an den muslimischen Bosniern als Völkermord eingestuft und den Hauptverantwortlichen, Serbenführer Mladic, 2021 zu lebenslanger Haft in einem Gefängnis in Den Haag verurteilt. In Bosnien selber werden die Ereignisse unterschiedlich beurteilt und sind längst nicht verarbeitet. Die Serben der Republika Srpska, in der auch Srebrenica liegt, erkennen einen Völkermord an den bosnischen Muslimen bis heute nicht an oder relativieren ihn mit Hinweis auf eigene Opfer in den Balkankriegen. Auch der Staat Serbien votierte gegen den internationalen Gedenktag, offizielle Vertreter der serbischen Botschaft nahmen auch nicht an der Feierstunde teil.

Und auch die AfD im Bundestag kritisierte bei einer Diskussion am Freitag die Einstufung des Srebrenica-Verbrechens als Völkermord. Die Serben hätten nur Männer erschossen und Frauen und Kinder grundsätzlich verschont, erklärte der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf. Die Erinnerungskultur, die man dem ohnehin fragilen Staat Bosnien-Herzegowina von außen aufzwinge, trage nicht zur Besänftigung der Spannungen im Staat bei.

Außenminister Johann Wadephul widersprach und entschuldigte sich quasi auch bei den Zuhörern auf der Tribüne des Plenarsaals. "Ich bedaure, dass wir den Opfern, den Angehörigen, insbesondere hier Anwesenden und dem Herrn Botschafter derartige Debatten zumuten." Selbstverständlich erkenne die Bundesregierung diesen Völkermord an. gd