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Die Steine der Begierde

Ein bisschen mehr Trump täte den Europäern manchmal gut, jedenfalls im Wettrennen um seltene Erden und andere kritische Rohstoffe
October 31, 2025
October 29, 2025
Beim Treffen in Südkorea sagte Xi Jinping US-Präsident Donald Trump die Aussetzung von Exportkontrollen bei seltenen Erden zu (Foto: x.com/WhiteHouse)

 

Manche glänzen silbrig grau, einige entzünden sich von selbst, andere sind besonders anziehend, und auf jeden Fall sind alle zum heimlichen Mittelpunkt vieler politischer Gespräche weltweit avanciert. Die Rede ist von seltenen Erden – Metallen, die die moderne Welt als absolut unverzichtbar für Elektromobilität, Smartphones oder Rüstungsgüter betrachtet. Doch weil die seltenen Erden eigentlich gar nicht so selten sondern nur ungleich verteilt und meist schwer erschließbar sind, nimmt der Kampf um sie beständig zu. Wer sie haben will, muss schnell und möglichst skrupellos sein, wer sie hat, nutzt sie als Erpressungsmittel und geopolitisches Drohpotential. Und um es vorweg zu sagen, Europa sieht in diesem Wettrennen nach wie vor nicht besonders gut aus. Das Reich der Mitte besitzt ein Quasi-Monopol bei vielen kritischen Rohstoffen, ganz besonders aber bei seltenen Erden. Es fördert rund 60 Prozent und verarbeitet etwa 93 Prozent zu Permanentmagneten für die Hightech-Industrie. Welche Rolle die Steine der Begierde spielen, zeigte sich in diversen Begegnungen auch diese Woche wieder.

 

Bei ihrem Treffen im südkoreanischen Busan verkündeten US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatspräsident XI Jinping  eine Einigung in Sachen seltene Erden. Trump wie immer triumphierend, Xi mit gewohnt stoischem Gesichtsausdruck. China wird die Exportkontrollen auf sieben von 17 seltenen Erden, die es als Antwort auf erhöhte US-Zölle in diesem Jahr verhängt hatte, für ein Jahr aussetzen. Im November hätten sie noch einmal drastisch verschärft  und ausgeweitet werden sollen. Besonders problematisch: Die Exportkontrollen erforderten Lizenzen, für die die Kunden chinesischer Exporteure sensible Daten offenlegen mussten.

Eine Grundsatzregelung, auf die sich die beiden Superstaatsmänner da geeinigt haben, ist es noch nicht, aber sie verschafft eine Atempause. Nicht nur amerikanischen sondern hoffentlich auch europäischen Unternehmen, die unter der Störung der Lieferketten bereits heftig gelitten haben, unter anderem durch deutlich gestiegene Preise. An diesem Freitag wollten EU-Vertreter mit einer chinesischen Delegation in Brüssel über eine ähnliche Lösung für Europa verhandeln. "Im Windschatten der USA zu fahren, ist keine längerfristig tragbare Strategie für Deutschland und Europa", kritisierte jedoch der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, laut dpa. Außenminister Johann Wadephul verzichtete diese Woche auf eine Reise nach Peking, angeblich, weil ihm nicht alle gewünschten Gesprächspartner zur Verfügung gestellt wurden. Chinas Führung soll über seine deutliche Kritik kurz zuvor unter anderem am aggressiven Verhalten gegenüber Taiwan erbost gewesen sein. Aber war das Canceln der Reise aus strategischer Sicht wirklich ein geschickter Schachzug?

 

Man kann vieles an US-Präsident Trump kritisieren, seine Eitelkeit, seine autokratischen Züge, seine Sprunghaftigkeit - mangelnde Geschwindigkeit gehört nicht dazu. Ob Grönland, die Ukraine, Australien oder im eigenen Land - überall ist die US-Regierung dabei, sich kritische Rohstoffe zu sichern, durchaus rücksichtslos, aber oft mit Erfolg. Auch weil sie dafür viel Geld in die Hand nimmt. Im Juli beteiligte sich beispielsweise das Pentagon alleine an der kalifornischen Mountain Pass Mine, einem Produzenten seltener Erden, mit 400 Millionen Dollar. Auch chinesische und selbst indische Investoren sind in Ländern wie Argentinien oder Chile,  längst vor Ort, um Minen zu erschließen. „Deutschland hat viel Zeit verschlafen. Die Chinesen sind oft schon da, wenn wir anfangen zu prüfen“, sagt ein deutscher Diplomat aus Lateinamerika. Zwar gibt es eine Reihe von Rohstoffpartnerschaften mit Ländern wie Chile, Australien, Mongolei, bei denen es auch um Lithium oder Kupfer geht. Und mit Kanada soll die Kooperation ausgebaut werden. Bis die Partnerschaften mit Leben gefüllt werden, vergeht jedoch viel Zeit.

 

Auch auf EU-Ebene sollen Investitionen in strategische Projekte zur Produktion und Verarbeitung wichtiger Rohstoffe erhöht sowie die Vereinbarung von Partnerschaften mit Staaten wie der Ukraine, Australien, Kanada, Kasachstan, Usbekistan, Chile und mit Grönland beschleunigt werden, versicherte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor einigen Tagen auf einer Konferenz in Berlin. Da sich das Umfeld international komplett verändert habe, könne die EU nicht mehr in dem gleichen Tempo reagieren wie einst. "Ob es um Energie geht oder um Rohstoffe, Verteidigung oder Digitales: Europa muss seine Unabhängigkeit anstreben, und jetzt ist der Moment, dies zu tun.“ Der Bedarf der EU an seltenen Erden wird sich laut Schätzungen bis zum Jahr 2020 versechsfachen und bis 2050 versiebenfachen, bei Lithium wird er sich bis 2030 verzwölffachen und bis 2050 sogar um das 21fache erhöhen. Diese enorme Nachfrage lässt sich kaum durch heimischen Bergbau oder Recycling decken. Zumindest kurzfristig bleibe der EU gar nichts anderes übrig, so von der Leyen, als Lösungen mit China zu finden.

 

In Deutschland hat der Bund – 2024 initiiert noch unter der Ampelregierung – bis 2028 immerhin eine Milliarde Euro zur Förderung strategischer Rohstoffprojekte zur Verfügung gestellt, um größere Unabhängigkeit bei den Lieferketten zu erreichen. Bei dem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau verwalteten Fonds stapeln sich nach einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital mittlerweile um die 50 Anträge von Unternehmen, darunter zum Abbau von Lithium im Oberrheingraben. Genehmigt war laut den Recherchen bis Mitte Oktober offenbar kein einziger. Die Prüfer prüften noch. Entschlossene Industriepolitik sieht anders aus.

 

Zu spät, zu bürokratisch, zu zögerlich. Wie wollen Deutschland und Europa jemals ihre Klimaziele und die digitale Transformation schaffen, ohne komplett vom Goodwill Chinas oder anderer Rohstofflieferanten abhängig zu sein, wenn es so weiter geht? Manchmal täte ein bisschen mehr Trump gut, wenigstens in puncto Schnelligkeit.