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Putins Trickkiste

US-Präsident Donald Trump geht dem Kremlchef immer wieder auf den Leim – auch jetzt wieder?
October 22, 2025
October 22, 2025

Kolumne von Michael Backfisch

Vorerst soll es nun doch kein Treffen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump in Budapest geben - zu unterschiedlich offenbar die Positionen zum Ukrainekrieg (Foto: http://en.kremlin.ru)

 

Im Ukraine-Krieg betreibt US-Präsident Donald Trump eine Achterbahn-Politik. Erst beschimpft er Russland als „Papiertiger“ und droht mit der Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern an die Ukraine. Dann lässt er sich im Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin am Donnerstag vergangener Woche zwei Stunden lang einseifen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird einen Tag später von Trump im Weißen Haus empfangen und mit leeren Händen nach Hause geschickt. Keine Tomahawks, keine neuen Waffen, lautet die Botschaft in Washington. Plötzlich sollte ein Trump-Putin-Gipfel in Budapest die Zauberlösung für ein Ende des Konflikts bringen. Als ob es das völlig ergebnislose Schmuse-Treffen Mitte August in Alaska nie gegeben hätte.

 

Und die Achterbahnfahrt geht weiter. Am Montag führen US-Außenminister Marco Rubio und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow noch ein „produktives“ Telefonat,wie es heißt. Eine persönliche Begegnung der beiden sollte noch in dieser Woche folgen, um den Trump-Putin-Gipfel vorzubereiten. Am Dienstag rudert das Weiße Haus zurück. Kein Spitzentreffen in „naher Zukunft“, lautet die lapidare Botschaft. „Ich möchte keine vergeudete Sitzung“, schiebt Trump hinterher.

 

Eine schlüssige Begründung für den diplomatischen Knall wurde nicht geliefert. Aber offensichtlich begriff man in Washington, dass die Vorstellungen der Amerikaner und Russen über eine Beendigung des Krieges zu weit auseinanderliegen. Trump will die Frontlinie in der Ukraine einfrieren. Danach sollten Moskau und Kiew „das Töten beenden und einen Deal machen“, empfahl der US-Präsident in nonchalantem Ton. „Lasst beide den Sieg für sich beanspruchen, lasst die Geschichte entscheiden."

 

Aus Moskau kam ein lautes „Njet“. Man dürfe die „Ursachen dieses Konflikts“ nicht vergessen, wetterte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Der Trump-Vorschlag würde bedeuten, „dass ein riesiger Teil der Ukraine unter Führung eines Nazi-Regimes bleibt“, so der Minister. Der Sturz Selenskyjs und der Regierung in Kiew ist ein erklärtes Kriegsziel Moskaus. Selenskyj hingegen glaubt, dass Putin Trump mit der Idee des Budapest-Gipfels nur hingehalten habe: „Kaum sind die (amerikanischen) Langstreckenwaffen (Tomahawk) in die Ferne gerückt, hat Russland automatisch sein Interesse an Diplomatie verloren“, erklärte er in einer Video-Botschaft.

 

Ist Trump nur sauer, weil sein Vorstoß für eine Waffenruhe verpuffte? Wird er Putin wieder mit der Lieferung von Waffen wie Tomahawks drohen, die die Europäer dann bezahlen? Oder lässt er sich vom Kremlchef erneut einwickeln – wie so oft?

 

In der Vergangenheit schaffte es Putin immer wieder, dass ihm Trump auf den Leim ging. Er verfügt über ein reichhaltiges Sortiment an Manipulationstechniken, die er sich in seiner Zeit als KGB-Offizier in Dresden und als Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB angeeignet hat. Tarnen, Täuschen und Nebelkerzen werfen gehören zu seinen Lieblings-Instrumenten. Gelegentlich variiert er dies auch mit chamäleonhaftem Verhalten: Er spiegelt die Position seines Gegenübers, um diesem das Gefühl zu geben, dass beide auf einer Wellenlänge sind. Putin wendet die KGB-Taktik der „reflexiven Kontrolle“ an. Dabei geht es darum, dem Gegner gezielt Informationen zu geben, um ihn dazu zu bringen, eine bestimmte Entscheidung zu treffen – genau die, die man selbst will.

 

So übernahm Putin mehrmals Trumps Idee eines Waffenstillstandes in der Ukraine – nur um diese später mit Fundamentalbedingungen zu überfrachten. Im März machte Trump seinen ersten Vorstoß für eine Feuerpause. Die Ukraine war sofort einverstanden. Der Kremlchef begrüßte die Initiative zunächst, um sie danach an Forderungen zu knüpfen, die eine Kapitulation der Ukraine bedeutet hätten. Dabei geht es zunächst um Entmilitarisierung, keine Nato-Mitgliedschaft, eine moskaufreundliche Regierung in Kiew sowie die Abgabe von Gebieten. Über allem steckt jedoch ein großes strategisches Ziel, das die Russen Mitte Dezember 2021 in Memoranden an die Nato und die USA formuliert hatten: Die 1999 begonnene Nato-Osterweiterung soll rückgängig gemacht werden, amerikanische Truppen sollen Europa verlassen.

 

Beim jüngsten Tête-à-tête mit Selenskyj trat Trump laut Medienberichten als Sprachrohr Putins auf: Er soll den Ukrainer aufgefordert haben, den gesamten Donbass an Russland abzutreten. Für das überfallene Land wäre das ein tödlicher Kompromiss. Im Gebiet Donezk,das die Russen in mehr als dreieinhalb Jahren Krieg nicht komplett erobern konnten, befinden sich strategisch wichtige Verteidigungsstellungen der Ukrainer. Würden sie diese abgeben, könnten Putins Truppen nach Belieben bis Kiew durchmarschieren.

 

Vor dem Alaska-Gipfel mit Putin am 15. August hatte sich Trump für eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg stark gemacht – die Europäer dachten, sie hätten den erratischen Chef des Weißen Hauses eingefangen. Doch dem Russen gelang es, den Amerikaner umzudrehen und ihm die Aussicht auf ein Zweiertreffen Putin-Selensky schmackhaft zu machen. Statt Feuerpause gleich das ultimative Friedenspaket, so das verführerische Angebot. Der Kremlchef weiß, dass sich Trump für das schnelle Ende des Krieges feiern lassen will – auch wenn dies zu Lasten der Ukraine geschieht. Sein Kalkül: Da es der Amerikaner eilig hat, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er Moskaus Narrativ übernimmt und Selenskyj zur Aufgabe zwingt. Falls Trump (noch) nicht darauf eingeht, hat Putin zumindest Zeit gewonnen, um mit seinem Zermürbungskrieg weiterzumachen. Dass Alaska nach großem Tamtam verpuffte, tut ihm nicht weh.

 

Auch die Kunst des Schmeichelns hat der Russe zur Meisterschaft entwickelt. So gratulierte er Trump zu Beginn des letzten Gesprächs überschwänglich zu dessen Friedensplan für Gaza. Man mag dies für banal halten. Doch wenn die Mächtigen dieser Welt einen persönlichen Draht zu Trump suchen, erzielt dies Wirkung, selbst wenn dies nur taktische Gründe hat. Putin hat es immer vermieden, Trump zu kritisieren, ihn vielmehr als „klug“, „talentiert“ und „angenehmen Gesprächspartner“ gepriesen. Der russische Präsident spielt bewusst mit der Illusion, dass weltpolitische Konflikte durch eine Allianz der starken Männer gelöst werden könnten. Das imponiert dem ehemaligen New Yorker Immobilienmakler Trump, der Sympathien für die Idee von Hinterzimmer-Deals zwischen Autokraten hat. Das Völkerrecht und internationale Verträge sind für ihn nur störende Kulisse.

 

Nicht zuletzt bastelt Putin an einem alten Traum. Er tut nicht nur alles, um den Graben zwischen den USA und Europa zu vergrößern. Amerika wird neuerdings umworben, die Ukraine-Unterstützer zwischen London und Warschau werden als Ansammlung von Kriegstreibern verteufelt. Der russische Präsident spaltet sogar die EU-Länder, indem er Trump zum Gipfelort Budapest überredete. Ausgerechnet die Stadt mit dem Regierungssitz des ungarischen Premiers Viktor Orbàn, der immer wieder aus allen Rohren gegen Brüssel schießt und mit Putin kuschelt, soll zur großen Friedens-Plattform werden. Trump merkt nicht, wie er von Putin instrumentalisiert wird.

 

Im Gaza-Krieg hatte der US-Präsident Erfolg, weil er die Hamas und Israel unter Druck setzte und die arabischen Staaten einband. Im Ukraine-Krieg muss er dem Aggressor Russland Grenzen setzen. Daniel Fried, ehemaliger US-Botschafter in Polen und unter Präsident George W. Bush Europa-Chef im Weißen Haus, bringt es auf den Punkt: „Die Frage ist, ob und wann Trump verstehen wird, dass er auf Putin Druck ausüben muss, um die gewünschten Ergebnisse zu bekommen. Putin spielt immer wieder mit ihm.“ Wenn Trump dies nicht beherzigt, geht der Krieg in eine Endlosschleife.