Donald Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton hält die Zerstörung iranischer Nuklearstätten für längst überfällig. Er empfehle das bereits seit 20 Jahren, sagte Bolton bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) mit dem Titel "Remaking America? Contesting Visions from Trump and Beyond" in Berlin. Damals sei das allerdings noch mit geringerem Risiko und zu geringeren Kosten möglich gewesen. "Wir haben nicht gehandelt, und nun müssen wir die Konsequenzen dafür tragen."
Bolton war von April 2018 bis September 2019 Nationaler Sicherheitsberater in der ersten Amtszeit von Donald Trump, der ihn wegen Meinungsverschiedenheiten zum Rücktritt aufforderte. Einst enger Mitarbeiter entwickelte sich Bolton zu einem der schärfsten Kritiker des US-Präsidenten. Seine Kritik legte er unter anderem in dem Buch "Der Raum, in dem alles geschah" nieder. Der Republikaner gehört zur Interventionisten-Fraktion innerhalb der Republikaner, die Amerikas Interessen auch mit militärischen Mitteln - wie im Irakkrieg 2003 - durchsetzen will.
Ob sich der US-Präsident entscheiden werde, Israel bei seinem jetzigen Bombardement auf den Iran zu unterstützen, wisse er jedoch nicht, sagte Bolton. Vermutlich habe er sich tatsächlich noch keine Meinung gebildet. Trump selber habe erklärt, der Iran dürfe keine Atomwaffen besitzen, sein Vize-Präsident und sein Geheimdienstchef hätten ihn jedoch vor einer Beteiligung am Krieg Israels gegen den Iran gewarnt. "Trump will immer auf der Gewinnseite stehen, und versucht jetzt vermutlich herauszufinden, wer gewinnen könnte." Bei der US-Hilfe geht es insbesondere um bunkerbrechende Waffen, ohne die Israel die besonders gut geschützte unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo nicht zerstören kann. Der Komplex wurde 2009 in Betrieb genommen.
Israels Reaktion auf das Massaker der Hamas im Oktober 2023 findet Bolton richtig. Das Recht zur Selbstverteidigung beinhalte, eine Bedrohung zu beseitigen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu lässt seit dem Überfall auf jüdische Dörfer an der Grenze zum Gazastreifen das Palästinensergebiet bombardieren. Dabei kamen bisher 55000 Menschen ums Leben, darunter viele Kinder. "Die Menschen in Gaza haben keine Zukunft, solange sie von einem Krebs namens Hamas umgeben sind", erklärte Bolton. Die Schwächung des iranischen Regimes sei einae Folge der substantiellen Schwächung der Hamas. Und wenn die Zerstörung der Atomanlage Fordo zu einem Fall der Führung in Teheran beitrage, bestehe eine Chance auf Frieden und Sicherheit. Die gebe es nicht, solange das Ajatollah-Regime existiere. Eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser hält der Republikaner dagegen für unwahrscheinlich. Der einzige humanitäre Ausweg für die Menschen im Gazastreifen sei es, sich irgendwo anders niederzulassen. Dazu würde er die UNRWA durch die UN-Flüchtlingsbehörde UNHCR ersetzen.
Um Trumps politisches Verhalten in den jüngsten Krisen im Nahen Osten, in der Ukraine oder gegenüber China zu verstehen, müsse man immer seine Persönlichkeit im Blick behalten, denn die sei einzigartig, sozusagen eine Abweichung von der Norm. Von dieser Persönlichkeit zeichnete Bolton bei der DGAP-Veranstaltung kein sehr günstiges Bild. "Die Briefing-Papiere, die wir im Sicherheitsrat für ihn routinemäßig geschrieben haben, hat er nicht gelesen." Als Trump sich 2018 in Helsinki mit Wladimir Putin getroffen habe und zuvor mit Theresa May in Großbritannien, habe er ihn auf dem Flug zwischen Schottland und Helsinki zum ersten Mal über strategische Nuklearwaffen gebrieft, 15 Minuten lang - während Trump sich ein Fußballweltmeisterschaftsspiel anschaute. "Unser Präsident geht total unvorbereitet in Treffen mit solchen Leuten." Während Trump denke, sie seien Freunde, verfolgten Putin, Xi Jinping oder Kim Jong-un ihre klaren nationalen Interessen.
Hinter Trumps Handeln verberge sich hingegen keine große Strategie oder Philosophie. Es gebe auch keinen Entscheidungsbildungsprozess. Seine Beschlüsse fielen ad hoc, unzusammenhängend. In seiner ersten Amtszeit habe er tausende von Entscheidungen getroffen, die meisten davon sähen aus wie "ein riesiger Archipel aus lauter Punkten", die der Präsident selber nicht miteinander verbinden könne. Indem er Außenminister Marco Rubio zu einer Art neuer Henry Kissinger gemacht, ihm den zusätzlichen Job des Nationalen Sicherheitsberaters gegeben und den größten Teil des Sicherheitsrats gefeuert habe, sei es für die Bundesbehörden und Agenturen nun noch schwerer geworden sich untereinander zu koordinieren. "Jedes Thema betrachtet Trump als etwas völlig Neues", betonte Bolton.
Außenpolitik und Sicherheitsfragen beurteile er bekanntermaßen vor allem unter dem Blickwinkel persönlicher Beziehungen mit ausländischen Führern. "Wenn er glaubt, einer sei sein Freund, dann sind auch die staatlichen Beziehungen zu dem Land gut." So denke aber Putin nicht, auch kein anderer Staatsmann, den er, Bolton, kenne. Für autoritäre Führer wie den russischen Präsidenten habe Trump eine besondere Vorliebe. "Nicht weil er russischer Agent ist - das hätte ich während der 17 Monate, in denen ich ihn fast jeden Tag gesehen habe, mitbekommen." Am ehesten treffe wohl zu, dass er die Rolle des nützlichen Idioten für die Russen spiele.
Zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe Trump nie gute Beziehungen gehabt. Er wisse, dass sich die Ukraine während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 aktiv für seine Konkurrentin Hillary Clinton eingesetzt habe. Von Europa verstehe der Präsident grundsätzlich nicht sehr viel. Bei einem seiner früheren Stabschefs habe er sich einmal erkundigt, ob Finnland noch Teil von Russland sei. Und Theresa May gefragt: "Haben Sie Nuklearwaffen?" So gehe er auch an den Konflikt in der Ukraine und einen Nato-Beitritt heran. Er sehe keinen Wert darin, die Ukraine zu verteidigen, weil er nicht verstehe, wie Allianzen funktionierten. Dabei mache, so Bolton, eine starke Verteidigung und eine starke amerikanische Präsenz in der Welt auch die USA sicherer. "Wir haben nicht all diese Länder verteidigt, weil wir so nette Leute sind, sondern weil es unseren Interessen entspricht."
Trump sei kein konservativer Republikaner. Viele seiner Entscheidungen, wie die Zollpolitik, entsprächen eher der Handlungsweise eines Demokraten. Deshalb kritisiere die Demokratische Partei ihn, so Bolton, auch auffallend selten. Sein früherer Chef habe keinen Sinn für fiskalische Verantwortung. "Er hat Vermögen gewonnen und verloren mit anderer Leute Geld." Die republikanische Partei habe er entgegen der Meinung vieler nicht umgewandelt, und, so Bolton, er glaube auch nicht, dass er die internationalen Wirtschaftsbeziehungen umformen werde, obwohl dazu schon eine Menge negativer Entscheidungen gefallen seien. Aber für gefährlich halte er es, wenn Europa genau das aus den bisherigen Entscheidungen herauslese. Die Welt gehe in 43 Monaten mit dem Ende der - "zweiten und letzten" - Amtszeit von Trump nicht unter. "Verhalten Sie sich nicht so. Es gibt eine Zukunft." Die Schäden, die Trumps Regierung hinterlasse, werde man reparieren. "Ich bin im Moment sehr optimistisch. Fast zehn Prozent (der Zeit) sind geschafft. "
Sich selber bezeichnete Bolton als "sehr konservativen Republikaner". Für Konservative in den USA gehöre die Reduzierung des Regierungsapparats seit Jahrzehnten zu ihrem Denken. Aber die Exekutivgewalt bleibe immer beim Präsidenten, kontrolliert durch die Legislative und die Justiz. Deren Unabhängigkeit sieht Bolton auch jetzt nicht gefährdet, auch wenn Trump sie sicher testen werde. Es sei "Hysterie" einiger Leute, die die Demokratie im Land gefährdet sähen. "Trump ist nicht Catilina, Pompeius oder gar Cäsar. Ich sehe die Republik in guter Verfassung." gd