Deutschland sollte nach den Worten des ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck aus der polnischen Geschichte lernen, wie Freiheit und Demokratie gegen neue autoritäre Bedrohungen und Aggressionen von außen verteidigt werden könnten. Er selber sei geprägt und aufgewachsen in einer Generation der Friedfertigkeit und dankbar dafür. "Wir, und das müssen wir gerade in diesen Tagen neu lernen, dürfen nicht meinen, es ist eine besondere demokratische Kultur, in einer hoffnungsgestützten Ohnmacht zu verharren", betonte Gauck bei einem Empfang zum polnischen Nationalfeiertag in der neuen Berliner Botschaft Polens. Stattdessen müssten die Deutschen erkennen "- und dabei müssen uns die Polen helfen - dass eine bewaffnete Friedfertigkeit das ist, was Freiheit und Demokratie schützt und stärkt." Das frühere Staatsoberhaupt lobte in dem Zusammenhang die Verteidigungsanstrengungen Warschaus.
Gauck, zu DDR-Zeiten Pfarrer und nach der Wende Beauftragter für die Stasi-Unterlagenbehörde, hob den ungeheuren Freiheitswillen der Polen hervor. Die besondere Beziehung der Nation und der einzelnen Menschen zum Thema Freiheit sei für ihn als Deutschen in einem Land, das die Sicherheit höher als die Freiheit schätzte, ein besonderes Geschenk gewesen. Schon die erste Verfassung Polens vom 3. Mai 1791 sei vom Geist der Freiheit geprägt gewesen. "Dieser Geist der Freiheit ist ein zentraler polnischer Beitrag zur europäischen Idee." Nach 1990 wurde der Jahrestag der Verabschiedung der Maiverfassung wieder zum Nationalfeiertag Polens.
Eine Botschaft dieser frühen Verfassung, so erklärte der polnische Geschäftsträger Jan Tombinski, laute: "Die Freiheit zu besitzen, ist zu wenig, man muss sie immer wieder neu erringen und gestalten." Er versicherte, dass Polen wie die gesamte freie Welt weiter fest an der Seite der Ukraine im Kampf gegen Russland stehe. Der Angreifer müsse unter verstärkten Druck gesetzt werden, damit der "verbrecherische Krieg" ende.
Auf der Agenda der neuen Bundesregierung werde die besondere Pflege des Verhältnisses zu Polen ganz oben stehen, sagte Thomas Bagger, Staatssekretär im Auswärtigen Amt und von 2022 bis 2023 Botschafter in Warschau. Allerdings kamen bereits erste Verstimmungen auf, weil der neue, heute gewählte Kanzler Friedrich Merz die Grenzkontrollen zum Nachbarland erheblich verstärken will. Dessen erste Auslandsreisen sollen schon in den kommenden Tagen nach Frankreich und Polen führen.
Polen sei ein ungeheuer optimistisches Land, und die Deutschen sollten sich gelegentlich ein Beispiel daran nehmen, so Bagger in seinem letzten öffentlichen Auftritt als Staatssekretär. Sein Amt übergab er am Dienstag im Zuge des Regierungswechsels an Geza Andreas von Geyr, bisher Deutschlands Vertreter bei der Nato und zuvor Botschafter in Moskau. gd