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Außenminister Jaishankar: Delhi und Berlin sollten ihren Einfluss in der Welt stärker geltend machen

Indiens Chefdiplomat über ökonomische Chancen bei Digitalisierung und Infrastruktur, den Konflikt mit Pakistan und die neue Härte des Diplomatenjobs
May 26, 2025
May 25, 2025
S. Jaishankar (Foto: Dometeit)

Der indische Außenminister S. (Subrahmanyam) Jaishankar hält das Potential der deutsch-indischen Beziehungen sowohl ökonomisch wie politisch für längst nicht ausgeschöpft. Vor allem vor dem Hintergrund einer größeren Instabilität in der Welt, eines Chips-Krieges, der Herausforderungen durch künstliche Intelligenz, des Klimawandels und eines manchmal verdrängten Problems, der Bekämpfung der Armut, sollten beide Länder enger zusammenarbeiten, sagte er bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. "Wir brauchen mehr Stabilität und Vorhersehbarkeit in der Welt." Auch wenn beide Länder unterschiedlich seien, sollten sie eine "gemeinsame Basis des Denkens" bei der Erreichung bestimmter Ziele finden und ihren jeweiligen Einfluss geltend machen in der Welt. Die indisch-deutsche strategische Partnerschaft feiert in diesem Jahr ihr 25-Jähriges Bestehen. Sie konzentrierte sich bisher unter anderem auf die gemeinsame Bekämpfung des Klimawandels und Bemühungen um eine Reform der Vereinten Nationen.

Besondere Perspektiven für die Zusammenarbeit sieht Jaishankar, der in der vergangenen Woche bei einem Besuch in Deutschland Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul getroffen hatte, im Verteidigungssektor, in der Digitalisierung, bei regenerativen Energien und beim Austausch von Arbeitskräften. Neue Geschäftsmöglichkeiten gebe es auch im Infrastrukturbereich, in den Indien seit einiger Zeit eine Menge investiere. Pro Tag würden im Schnitt zwölf Kilometer Eisenbahnen und bis zu 30 Kilometer Straßen, im Jahr sechs bis sieben Flughäfen neu gebaut.

Jaishankar warb zugleich um ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union, das nicht nur eine ökonomische Bedeutung habe sondern auch eine Botschaft sei, die Beziehungen zu vertiefen. Er hob den kürzlichen Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hervor, die an der Spitze einer großen Delegation der neuen Kommission ihren ersten Auslandsbesuch in Indien - und nicht in China - gemacht hatte. Die EU und Indien verhandeln allerdings bereits seit 2007 über ein Abkommen, das zwischenzeitlich sogar für Jahre ausgesetzt war. Die EU wirft Indien hohe Importzölle vor, Indien im Gegenzug den Europäern unerfüllbare Standards. Auch die Agrarpolitik ist ein Zankapfel. Das fehlende Freihandelsabkommen erschwert eine deutliche Ausweitung von Geschäftstätigkeiten deutscher Unternehmen in Indien.

Noch ist der deutsche Export nach Indien (2024: 17 Mrd. Euro/1,1 Prozent aller Ausfuhren) in absoluten Zahlen um einiges niedriger ist als der nach China (90 Mrd. Euro/6 Prozent aller Ausfuhren, aber er steigt deutlich an. (Foto: Informationsdienst der deutschen Wirtschaft/iwd)

Auf den jüngsten Konflikt mit Pakistan um die Region Kaschmir angesprochen verteidigte Jaishankar die Reaktion seines Landes und verwahrte sich sogar gegen die Bezeichnung "Konflikt", weil diese Opfer und Täter auf eine Stufe stelle. In Kaschmir habe es einen terroristischen Anschlag gegeben, der auf die Zerstörung der Tourismusindustrie gezielt habe. In der zwischen Pakistan und Indien umstrittenen Provinz Kaschmir waren am 22. April mindestens 26 - hauptsächlich indische - Touristen bei einem Anschlag gestorben. Daraufhin hatten sich die beiden Atomstaaten heftige militärische Auseinandersetzungen geliefert. Indien habe ein Recht auf Selbstverteidigung und habe auf terroristische Zentren gezielt. Pakistan wirft dem Nachbarn jedoch vor, Zivilisten beschossen zu haben.

Diplomatie, betonte Jaishankar, habe sich im übrigen angesichts wachsender Konflikte heutzutage verändert. Das Tempo sei höher geworden, der Einfluss von sozialen Medien und Technologien wachse. "Man muss schneller und smarter arbeiten", sagte er. "Der Job ist wirklich härter geworden." Der 70-Jährige gehört der regierenden hindunationalistischen Bharatiya Janata Partei und ist seit 2019 Indiens Chefdiplomat. gd