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Botschaften im Universum

Die strategische Bedeutung der Raumfahrt ist erkannt, aber von großer Dynamik der neuen Ministerin ist nach den ersten 100 Tagen noch wenig zu spüren
August 7, 2025
August 6, 2025

Kolumne von Gudrun Dometeit

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (M.) mit den Astronauten Alexander Gerst und Matthias Maurer beim Bayerischen Mondgipfel im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen (Foto: x.com/Astro_Alex)

Während wir auf der Erde mit Machtpielen, Konkurrrenzdenken und Krieg beschäftigt sind, bemerken wir vielleicht nicht, dass sich all das bereits in eine andere Dimension zu verlagern beginnt. Vor einigen Tagen kündigten die USA an, einen 100-Kilowatt-Atomreakor bis zum Jahr 2030 auf dem Mond aufstellen zu wollen, als eine Art Platzhalter für ein Gebiet, das die Chinesen schon mal nicht besetzen können, wenn sie etwa um die gleiche Zeit ihre ersten Taikonauten gen Luna schicken. Wichtige Sicherheitstests für das Landemanöver seien im Juni gelungen, meldete die chinesische Raumfahrtagentur. Beide Nationen arbeiten auch an Selbstverteidigungsmechanismen im All gegen feindliche Flugobjekte. Ganz klar ist, dass Peking und Washington alles daran setzen, die Nummer eins im Weltraum zu werden. „Das zweite Weltraum-Rennen wollen wir gewinnen“, ließ sich ein Mitarbeiter der US-Weltraumbehörde NASA kürzlich zitieren – in Anspielung darauf, dass es 1961 die Sowjetunion war, die mit Jurij Gagarin den ersten Menschen ins All schickte, und nicht die USA. Für ihre hochfliegenden Pläne setzt die NASA mehr und mehr auf privates Kapital, auch für eine neue Raumstation, die die 26 Jahre alte internationale Station (ISS) mittelfristig ersetzen soll. An der ISS sind auch die Europäer beteiligt, bis 2010 soll sie 150 Milliarden Dollar gekostet haben. Den Löwenanteil am europäischen Beitrag bestritt Deutschland.

 

Und auch hier „hebt die Raumfahrt ab“, wie der erste, von Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr ernannte Raumfahrtbotschafter, Reinhold Ewald, ein früherer Astronaut, sagte. Bayern sei „space-minded“ , lobte dessen nie um Eigenlob verlegener Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und nannte als Beweis das neue Mondkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen sowie den Aufbau der größten Hochschul-Kapazitäten für Luft- und Raumfahrt in seinem Bundesland. In Bremen arbeiten Wissenschaftler am Zentrum für angewandte Raumfahrttechniken und Mikrogravitation  an der Konstruktion von Häusern auf Mond und Mars für eine dauerhafte Besiedlung in der Zukunft. Und in Köln können Astronauten im „Luna“-Zentrum des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums und der Europäischen Weltraumbehörde ESA für einen Aufenthalt auf dem Mond trainieren - unter täuschend echten Bedingungen, die den Gesteins-, Sand- und Schwerelosigkeitsbedingungen dort höchst nahe kommen. Bei der Simulation der Verhältnisse soll nicht einmal die NASA so weit sein wie die Europäer.  

 

Als das nächste große Ding gilt jedoch vor allem ein leistungsfähiges Satellitensystem, denn auch da zeigt sich das gleiche Problem wie in Sachen irdischer Verteidigung oder es erweitert es sogar: Die Europäer sind abhängig von den USA. Mit Starlink betreibt das von Elon Musk gegründete US-Unternehmen SpaceX das global größte Satellitennetzwerk. Es stellt weltweit Internetverbindungen her, die Ukraine steuert mit dessen Hilfe ihre Drohnen gen Russland. Aus modernen Kriegen wird die all-gestützte Datenkommunikation gar nicht mehr wegzudenken sein. Sichere Kommunikations- und Datenverbindungen sind zudem für die Wirtschaft von existentieller Bedeutung. So taten sich auf Initiatve der EU eine Reihe großer europäischer Unternehmen zusammen, um mit dem Satellitennetzwerk IRIS2 eine Starlink-Alternative zu schaffen. Sechs Milliarden Euro kommen dafür von der EU, 550 Millionen Euro von der ESA, die private Finanzierung ist noch nicht geklärt. Sowohl Luft- und Raumfahrtunternehmen als auch die Bundesländer  Bayern, Baden-Württtemberg  und Bremen haben die Bundesregierung jüngst aufgefordert, deutlich mehr Geld für die Raumfahrt auszugeben, zum Beispiel durch die Erhöhung der Mittel an die ESA.  

 

Wenn also die strategische Bedeutung der Raumfahrtall so enorm und zudem erkannt ist, fragt man sich, warum man zu diesem Thema so wenig von der neuen Raumfahrtministerin Dorothee Bär (CSU) in der Öffentlichkeit hört. Schließlich hat es nie zuvor eine Ministerin mit dieser Amtsbezeichnung gegeben. Bärs Förderer Söder soll daran nicht unschuldig gewesen sein. Von der Dynamik der ersten 100 Tage in anderen Aufgabenfeldern der neuen Bundesregierung ist dennoch wenig zu spüren. Im Haushaltsentwurf für 2025 steigt der Etat des Ministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt gerade um knappe 900 Millionen Euro - insgesamt. Für die Raumfahrt sind gerade mal 2,2 Milliarden Euro vorgesehen, die NASA verfügt in diesem Jahr über rund 24 Milliarden Dollar.

Wenn Innovation keine Floskel und (digitale) europäische Souveränität keine Illusion bleiben soll, muss wohl mehr passieren. „Möge die Macht mit Dir sein!“, möchte man der Ministerin nach einem berühmten Satz der Star Wars-Filme zurufen.