Kolumne von Gudrun Dometeit
Fast fühle ich mich als Journalistin in dieser Woche fehl am Platze, die jüngsten weltpolitischen Ereignisse zu kommentieren. Eigentlich wären die nämlich eher ein Fall für Verhaltensforscher oder Experten für politische Psychologie. Da ist ein deutscher Kanzler, der mit einem ganzen Handbuch voller Verhaltensregeln für seinen Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump anreist. Nicht zu lange reden, ordentlich loben, zustimmen, aber nicht zuviel, Gemeinsamkeiten hervorheben und auf keinen Fall Schwäche zeigen, auf gar keinen Fall!
Da sind zwei Narzissten, die sich coram publico streiten, nicht irgendwer natürlich, es sind der US-Präsident und sein einstiger Lieblingsberater, Elon Musk, und sie plänkeln auch nicht irgendwie sondern lassen die Fetzen fliegen - mit offenen Erpressungen. Trumps Budgetvorstellungen nennt Musk eine „widerliche Abscheulichkeit“, Trump droht mit dem Entzug aller staatlichen Subventionen und Aufträge, der Tesla-Chef lässt nach eigenen Worten „eine Bombe platzen“ und deutet Verbindungen des Präsidenten zum spektakulären Epstein-Fall um einen Ring von minderjährigen Prostituierten an.
Vor dem Besuch von Friedrich Merz (CDU) in Washington hieß es, der Kanzler wolle in erster Linie einen direkten Draht zu Trump finden, eine menschliche Basis für die künftigen transatlantischen Beziehungen. Auch weil der Republikaner mit Wurzeln in Rheinland-Pfalz angeblich Deutschland hasst. Und ganz besonders den Deutschen immer wieder mangelnde Verteidigungsanstrengungen vorwarf. Gemessen an diesen Ansprüchen war die Reise erfolgreich. Auch Merz selber zeigte sich zufrieden. Er fahre zurück mit dem Gefühl, dass ein Fundament gelegt worden sei "für sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche", sagte er kurz vor seinem Rückflug nach Berlin in der ARD. Geholfen hat dabei ganz sicher ein besonderes Geschenk: Die deutsche Bereitschaft, die Verteidigungsausgaben mittelfristig von jetzt 2,1 auf fünf Prozent zu erhöhen.
Wie lange der Draht hält? Der US-Analyst Gideon Rose, ehemals im Stab des Nationalen Sicherheitsrats unter Bill Clinton, glaubt: Nicht lange. „Man kann mit Trump keine langfristigen Beziehungen pflegen, weil er die nicht will. Man muss ihn immer wieder aufs neue befrieden, damit er einem nicht allzuviel Schaden zufügt“, erklärte er in einer Diskussion der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Rose nennt Trump einen „Kinds-Imperator“ , einen Kindkönig, dem man huldigen müsse.
Was hinter soviel Menschelndem gerade verschwindet: Die besorgniserregende und fast unwidersprochene Aufrüstung in Europa, die auf Kosten von sozialen und Bildungsausgaben gehen wird. So beschloss die Nato gerade das größte Programm zum Ausbau von Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeiten seit Ende des Kalten Krieges. Für Deutschland bedeutet das einen zusätzlichen Bedarf von 60 000 Soldaten. Und der Ukrainekrieg ist nicht nur ungelöst sondern droht nach dem Coup des ukrainischen Geheimdienstes gegen strategische Militäreinrichtungen weit auf russischem Gebiet zu eskalieren. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte bereits Vergeltung an. Und auch hier spielt politische Psychologie eine Rolle, die ja unter anderem erklären will, welche persönliche Faktoren bei politischen Entscheidungen, bei Krieg und Frieden, eine Rolle spielen können. Für einen Autokraten wie Putin, der seine Position im eigenen Land auf Stärke aufbaut, wäre eine Nicht-Reaktion blamabel. Für ihn wird die Revanche zu einer Frage von – zweifelhafter – Ehre.
In diesem Spiel um Macht, Ehre, Ansehen und Gesichtswahrung hat Merz jedenfalls Punkte gemacht: Er spielt jetzt in einer Liga mit Emmanuel Macron, Keir Starmer und Giorgia Meloni, Fredric kann Donald künftig jederzeit auf dem Mobiltelefon anrufen, um dessen momentane Stimmungs- und Entscheidungslage zu erkunden.