
Estland will künftig seine wirtschaftlichen Interessen in Deutschland stärker vertreten, und die Botschaft in Berlin soll dabei eine wichtige Rolle spielen. Außenminister Margus Tsahkna eröffnete am Donnerstag abend in der Berliner Vertretung seines Landes einen "Estonian Business Hub". Das Zentrum soll eine neue Plattform für Exportförderung und technologische Zusammenarbeit nicht nur mit Deutschland sondern mit ganz Mitteleuropa sein. Ähnliche Business-Zentren gibt es bereits in London, Paris, Riga, Washington, Seoul und Singapur, die mit Hilfe des estnischen Außenministeriums aufgebaut aufgebaut wurden. „Der neue Business Hub in Berlin wird Unternehmen beider Länder zusammenbringen, Kooperationen fördern und zeigen, wie eng Innovation und Diplomatie heute verbunden sind“, betonte Tsahkna in der frisch renovierten Botschaft im Berliner Tiergartenviertel.
An der Eröffnung nahm auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) - zumindest kurz zwischen Haushaltsberatungen und Koalitionsgesprächen - teil. Sie betonte, dass Deutschland von dem äußerst lebendigen Geschäftsklima des baltischen Staates lernen könne. Estland sei ein Pionier der digitalen Innovation, nicht nur im privaten Unternehmenssektor sondern auch in Bezug auf seine Regierungsinstitutionen. So laufen die Kabinettssitzungen dort seit Jahr und Tag papierlos ab, Behördenleistungen sind nach estnischen Angaben komplett digitalisiert. Deutschland müsse, so Reiche, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, noch einige Hausaufgaben machen und seine internen Reformen vorantreiben. Gefragt sei aber auch die EU-Kommission, die Bürokratie verringern, weniger Lasten auferlegen und schneller entscheiden müsse.
Der Berliner Hub ist bewusst wie die anderen internationalen Zentren eng mit der Botschaft verbunden und soll demonstrieren, wie sehr die estnische Regierung ihre Unternehmen dabei unterstützt, auf internationalen Märkten sichtbarer zu werden. Als Beispiel nannte Botschafterin Marika Linntam Singapur, wo das estnische Unternehmen CryptoSwift die Räumlichkeiten der Botschaft während der internationalen Blockchain-Konferenz Token2049 für ein exklusives Networking-Event mit Branchenführern nutzte. In Washington fand das Verteidigungsunternehmen Vegvisir über den örtlichen Business Hub Zugang zu wichtigen Regierungsinstitutionen und konnte eine nordamerikanische Entwicklungspartnerschaft aufbauen. Auch in Berlin sind Seminare, Workshops und Networking-Veranstaltungen geplant.
Deutschland gehört neben Finnland und Schweden zu den wichtigsten Exportmärkten und Handelspartnern des 1,4-Millionen-Einwohner-Staates. Gemessen an seiner Bevölkerung hat Estland die höchste Start-up-Dichte in Europa, zudem ebenfalls im Verhältnis zur Einwohnerzahl ungewöhnlich viele "Einhörner" - Unternehmen, die mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet werden. Zu den weltweit bekannten Erfolgsgeschichten gehört die Taxi-Alternative Bolt, der von Microsoft übernommene und inzwischen eingestellte Videotelefonie-Dienst Skype und der Online-Geldtransfer-Dienst Wise. Das Land wirbt zudem um die Ansiedlung von Unternehmen mit schnellen digitalen Verfahren und günstigen Steuern. gd