Search

diplo.news

News and Views on Foreign Relations and Diplomacy

Paris und Berlin wollen die digitale Abhängigkeit von den USA und China loswerden

In Berlin beginnt der erste Europäische Gipfel zur digitalen Souveränität - eine deutsch-französische Initiative. Laut Bitcom ist die Technologieabhängigkeit vom Ausland noch größer geworden
November 18, 2025
November 17, 2025
Läuft der deutsch-französische Motor wieder? In Toulon beschlossen Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Wirtschaftsagenda und engere Kooperation in Sachen Digitalisierung - um Europas Ökonomie gegen die Wettbewerber USA und China zu stärken (Foto: bmds.bund.de)

Berlin wird in dieser Woche zum Treffpunkt der digitalen Elite Europas. Auf deutsch-französische Initiative wollen rund 900 Vertreter von Start-ups, wissenschaftlichen Einrichtungen und Industrie zwei Tage lang (18./19.) über Europas digitale Souveränität diskutieren und  erste Projekte vorstellen. Dazu gehören die European Digital Identity Wallet, eine persönliche digitale Geldbörse für das Smartphone, und Open-Source-Arbeitsplatzlösungen wie das deutsche "openDesk" und das französische "LaSuite" - ein gemeinsames Projekt für die öffentliche Verwaltung, an dem beide Länder seit 2024 arbeiten. Die Regierungschefs Frankreichs und Deutschlands, Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Friedrich Merz, werden die Konferenz eröffnen. Den ersten europäischen Tech-Gipfel hatte Deutschlands Digitalisierungsminister Karsten Wildberger beim deutsch-französischen Ministerrat in Toulon im August angekündigt.

„Deutschland und Frankreich wollen die treibende Kraft hinter einer Digitalisierung auf Weltklasse-Niveau werden“, betonte vor wenigen Tagen der französische Botschafter in Berlin, François Delattre, bei einem  deutsch-französischen Tech-Forum in Berlin. Es müsse in diesem Wirtschaftsbereich passieren, was zuvor in der Kohle- und Stahlindustrie passiert sei: Notwendig sei eine Flaggschiff-Initiative, um eine kritische Masse bei der digitalen Revolution zu erreichen. Für Europa gebe es neben Krieg und Bedrohungen der Demokratie eine dritte Gefahr, nämlich ökonomisch hinter den USA und China zurückzufallen. Berlin und Paris müssten mehr Verantwortung übernehmen und schneller reagieren, um sich unabhängiger von den Technologien der beiden Supermächte zu machen.

Stelldichein der Tech-Elite in Berlin - das Logo der Konferenz (Foto: bmds.bund.de)

Einer der Schwerpunkte der Konferenz wird neben Künstlicher Intelligenz und Cloudcomputing die Quantentechnologie sein, die für Europas digitale Souveränität und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zentral ist. Präsentieren werden sich dabei unter anderen Qandela, ein 2017 in Frankreich gegründetes Erfolgs-Unternehmen und das Quantum Technology ans Application Consortium (Qutac), ein Zusammenschluss von 14 deutschen Großkonzernen wie Airbus, Siemens und SAP. Beide Unternehmen sind auf industriell anwendbare Innovationen fokussiert. Diskutiert werden sollen auch Ergebnisse des letzten französisch-deutschen Dialogs zum Thema Quantentechnologie.

Die Abhängigkeit von Technologien und Services aus den USA und China ist in Deutschland laut einer neuen Umfrage des Digitalverbands Bitcom in diesem Jahr sogar noch gestiegen. Bitcom befragte rund 600 Unternehmen ab 20 Beschäftigte. Demnach fühlten sich 51 Prozent der Firmen stark abhängig von den USA, im Januar 2025 waren es nur 41 Prozent. Von China sehen sich ebenfalls 51 Prozent stark abhängig, im Januar waren es erst 44 Prozent. Die deutschen Unternehmen könnten nach eigenen Angaben, so heißt es in einer Mitteilung von Bitcom, nur zwölf Monate überleben, sollten sie die Technologien und Services nicht mehr aus den USA beziehen können. Im Falle chinesischer Importe wären es es sogar nur elf Monate.

Egal, ob Halbleiter, KI-Modelle, Hardware, Cloud-Speicherdienste, Software-Anwendungen - China und die USA sind die wichtigsten Herkunftsländer für ganz Europa. Weil große europäische Datenströme über die USA laufen, hat die EU-Kommission mit der US-Administration Datenschutzregelungen abgeschlossen. Chips kommen im übrigen auch aus Taiwan oder Industrieroboter aus Südkorea. Insgesamt sagen laut Bitkom 96 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland, dass sie ohne ausländische Digitalimporte nicht auskommen. gd