Handelsabkommen der Europäischen Union mit Indonesien, Indien und Lateinamerika (Mercosur) sollten nach Ansicht von Deutschlands Außenminister Johann Wadephul (CDU) noch in diesem Jahr zügig abgeschlossen werden. Das sei eine zentrale Aufgabe der Politik, sagte Wadephul am Dienstag beim sogenannten Bukowita, dem Wirtschaftstag der deutschen Botschafter in Berlin. Traditionell ist dies das jährliche Diskussions- und Networking-Forum zwischen Diplomaten und Unternehmen. "Das würde auch zeigen, dass die EU geopolitisch handlungsfähig ist", so Wadephul. Nötig sei eine Zeitenwende in der Außenwirtschaftspolitik, um abwehrfähig gegen Angriffe von außen zu werden, neue Absatz- und Rohstoffmärkte zu erschließen und Fachkräfte anzuziehen. In Sachen Fachkräftegewinnung habe er die deutschen Auslandsvertreter gebeten, die nötigen Kontakte in ihren Ländern herzustellen. Wadephul wies auch darauf hin, dass er bei seinen Reisen nun regelmäßig Wirtschaftsdelegationen mitnehme.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, betonte die enormen Herausforderungen, die das weltpolitische Klima auch für die Unternehmen bedeute. So müssten sie lernen, politisch zu agieren und mit der Politik zu reden. Leibinger forderte, technologische Überlegenheit auch als Machtmittel einzusetzen. Deutschland und Europa verfügten über Technologien, von denen andere Staaten abhängig seien. Das solle die Gegenseite ruhig erfahren, auf gegenseitige Abhängigkeiten solle man hinweisen. Von der Bundesregierung forderte der Wirtschaftsverbandschef eine "massive Entschlossenheit" zur Modernisierung des Staates, räumte aber zugleich ein, dass auch die Industrie manchmal Teil des Bürokratieproblems in Deutschland sei. Alle müssten wieder mehr Risiken eingehen.
Nach Aussagen Wadephuls will die Bundesregierung demnächst eine Kabinettssitzung einberufen, in der es nur um Vorschläge an den Bundestag gehe, die zur Abschaffung von Gesetzen und Vorschriften führten. Es solle bewusst Raum für den normalen Menschenverstand gelassen werden. "Wir gehen ins Risiko, mit der Gefahr - lax formuliert - , dass auch mal was in die Hose geht." Die Bundesregierung müsse jedoch vorleben und zeigen, dass es möglich sei, auf Gesetze und Vorschriften zu verzichten und so die Sklerose, die Staat und Gesellschaft erfasst habe, abzuspalten, um wieder Luft zum Atmen und für Innovationen zu gewinnen.
Finnlands Außenministerin Elina Valtonen konzentrierte sich in ihrer mit viel Beifall bedachten Eingangsrede auf den Ukrainekonflikt. Einen Kompromissfrieden, einen Frieden um jeden Preis könne es nicht geben. Als abschreckendes Beispiel nannte sie die baltischen Staaten, in denen die Kapitulation und der Frieden nach dem Zweiten Weltkrieg zur Verschleppung von 300 000 Menschen in die Sowjetunion und zum Verlust des Wohlstandes geführt habe. Die freie Welt müsse Russlands Ambitionen strategisch eindämmen, der Sanktionsdruck dürfe nicht aufgehoben werden, bevor Russland einem Schadensausgleich in der Ukraine nachkomme. Valtonen warf Moskau vor, seine eigene Geschichte im Hinblick auf Schuld und Verantwortung nie wirklich aufgearbeitet sondern im Gegenteil vertuscht zu haben. gd