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Gratulation! Aber wofür?

Nun war Ursula von der Leyen an der Reihe. Der EU-Kommissionspräsidentin dafür zu gratulieren, dass sie den Karlspreis verliehen bekommen hat, gebietet die Höflichkeit. Auch wenn diplo.news durch und durch proeuropäisch ist, sind kritische Fragen vonnöten.
June 4, 2025
May 30, 2025

Kolumne von Ewald König

Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

Als im Jahr 2014 Herman Van Rompuy in Aachen an der Reihe war, wurde ich (als damaliger Chefredakteur von EurActiv.de) von der Aachener Zeitung eingeladen, einen Kommentar zu schreiben. Van Rompuy war jener belgische Politiker, der das neu geschaffene Amt des EU-Ratspräsidenten innehatte.

Damals hatte es das Karlspreis-Direktorium sichtlich schwer, für den Mann eine zündende Beschreibung zu finden. Ihm wurde nachgesagt, er wirke lieber im Hintergrund und sei ein Pragmatiker. In der Würdigung wurde gelobt, wie er „mit großer Integrität und Integrationskraft“ sein neues Amt ausfülle und damit einen maßgeblichen Beitrag zur Konsolidierung und Weiterentwicklung des Vereinten Europas leiste.

Van Rompuy als „Mann der leisen Töne“, „Meister des Ausgleichs“ und „unermüdlichen Arbeiter“ zu würdigen, war eine dürre Begründung für den einst so angesehenen Karlspreis. Van Rompuy hat doch einfach seine Arbeit gemacht, die ihm aufgetragen wurde. Man kann also den Preis auch dafür bekommen, dass man in Brüssel zur Arbeit geht und sein Amt trägt. Ein Amt, das ohnehin hoch bezahlt ist. Der EU-Ratspräsident bezog für seine Tätigkeit ein höheres Einkommen als zeitgleich US-Präsident Barack Obama. Für eine Tätigkeit, die nicht nur Begeisterung auslöste, was auch an der Konstruktion dieses Amtes liegen mag.

Ich muss jetzt an Herman Van Rompuy zurückdenken, wenn ich die lobenden Worte über Ursula von der Leyen höre. Ja, sie macht ihren Job nicht schlecht; ja, sie hat eine Menge unerwarteter Herausforderungen zu meistern; ja, sie ist das Gesicht der EU. Aber das ist ihre Aufgabe, für die sie ausgewählt wurde und gar nicht schlecht bezahlt wird.

Der Karlspreis sollte nicht mitten im Arbeitsprozess verliehen werden, sondern eine Ehrung fürs Lebenswerk sein, für erwiesenes und erfolgreiches ambitiöses, visionäres, kämpferisches, überzeugendes, mutiges europäisches Engagement. Generell werden hohe Auszeichnungen oft zu früh verteilt, wo ein Lebenswerk noch nicht vollendet ist oder noch gar nicht richtig angefangen hat.

Der Festakt in Aachen bot wenigstens die Gelegenheit zur Standortbestimmung Europas und zum Blick in die Zukunft. An schönen Worten, eindringlichen Mahnungen und markanten Absichtserklärungen mangelte es ja nicht, weder in der Laudatio von Bundeskanzler Friedrich Merz noch in der Festrede von Spaniens König Felipe VI. oder in der Antwort der Preisträgerin.

Noch in diesem Jahrzehnt werde sich eine neue internationale Ordnung herausbilden, prophezeite von der Leyen, und diese neue Ordnung müsse von Europa gestaltet werden. Das klingt ja ziemlich selbstbewusst. Tatsächlich aber scheint mir die EU weit davon entfernt, eine neue internationale Ordnung mit- oder sogar gestalten zu können. Mir fällt wenig ein, was die EU dazu befähigen würde. Fehlanzeige in gemeinsamer Außenpolitik, Sicherheitspolitik, Migrationspolitik. Krisen und Konflikte, wohin man sieht – und oft spielt die EU keine Rolle außer die des Zuschauers, wie andere Mächte eingreifen und zugreifen.

Aus den – schon so oft vernommenen – Worten von Aachen müssen endlich Taten werden. Aus den Taten ergeben sich wieder Vertrauen in die europäische Führung und in der Folge mehr europäische Begeisterung. Aber nicht durch Preisverleihungen an Persönlichkeiten, die einfach ihre Arbeit machen.