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Pistorius geht von gezielter russischer Provokation aus

Deutschlands Verteidigungsminister äußert sich im Bundestag zur Eskalation des Ukrainekonflikts
September 10, 2025
September 10, 2025
Verteidigungsminister Boris Pistorius beantwortet Fragen von Abgeordneten in der Regierungsfragestunde des Deutschen Bundestages (Foto: Screenshot bundestag live)

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geht davon aus, dass die Drohnenangriffe der vergangenen Nacht auf polnischem Gebiet gezielte Provokationen Russlands waren. Nach Angaben von Polens Ministerpräsident Donald Tusk gehe es um 19 Shahid-Drohnen oder Drohnen gleicher Bauart, die offensichtlich von belarussischem Gebiet aus gestartet worden seien. "Es gibt definitiv keinen Anlass zu vermuten, dass es sich hier um Kurskorrekturfehler oder dergleichen gehandelt hat", sagte Pistorius am Mittwoch bei einer Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag. Ganz offenkundig seien die Drohnen gezielt auf Kurs gebracht worden und entsprechend munitioniert gewesen. Der Minister betonte, dass dies Teil einer konstanten Bedrohung durch russische Kräfte sei, die sich in Provokationen im baltischen Luftraum und in der Ostsee - über und unter Wasser - sowie in hybriden Angriffen in Mitteleuropa äußere. 

Deutschland kooperiere mit Polen bei Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags (im Fall von Verletzungen der territorialen Integrität) und unterstütze ein klares Vorgehen, um Signale zu setzen. Auf die Frage, ob die Bundesregierung genug tue, um Moskau klarzumachen, dass feindliche Attacken wie zum Beispiel eine Kabeltrennung in der Ostsee, Drohnenüberflüge über Bundeswehrkasernen, Cyberangriffe oder ein Auftragsmord im Tiergarten nicht akzeptiert würden,bejahte Pistorius. Dazu gehörten die Verpflichtung zur Erhöhung des Verteidigungsbudgets gegenüber der Nato auf 3,5 bzw. 5 Prozent des BIP in den nächsten Jahren, die Beschleunigung der Beschaffung und der personelle Aufwuchs der Bundeswehr. Zusätzlich werde an der Stärkung der Resilienz der deutschen Gesellschaft und Industrie gearbeitet sowie am Gefährdungsbewusstsein, das leider auch gestärkt werden müsse.      

Deutschland sei mittlerweile der größte Unterstützer der Ukraine weltweit. "Der Zusatz nach den USA kann inzwischen wegfallen." Die Unterstützung werde im nächsten Jahr bei rund neun Milliarden Euro liegen, in diesem Jahr knapp darunter. Entscheidend im Bereich der Luftverteidigung der Ukraine seien Joint Ventures zwischen der deutschen/europäischen Rüstungsindustrie und der ukrainischen Industrie zur gemeinsamen Produktion in der Ukraine, Deutschland und Europa. Dies soll die nicht ausgelasteten Kapazitäten der ukrainischen Rüstungsindustrien utzen. Die Stärkung der Luftverteidigung bleibe eine primäre Aufgabe. Der Umfang des Materials aus Beständen der Bundeswehr, das an die Ukraine abgegeben werde, nehme immer weiter ab. Gleichzeitig werde die Wiederbeschaffung dessen, was bereits ausgeliefert worden sei, beschleunigt, um so die entstandenen Lücken möglichst schnell zu schließen.

Auf die Frage der Fraktion Die LInke, wie die Bundesregierung mit dem hochsensiblen Thema der Datensammlung im Ukrainekrieg umgehe, an der auch das private US-Datenanalyseunternehmen Palantir beteiligt sei, antwortete Pistorius, dass die Bundesregierung die zur Verfügung gestellte Software von Palantir seines Wissens nach nicht direkt nutze und er persönlich auch ein ambivalentes Verhältnis zu diesem Unternehmen habe. Aber natürlich mache sie sich die täglichen Geschehnisse auf dem Gefechtsfeld der Ukraine zunutze und lerne aus den Erfahrungen der Streitkräfte und dem Kriegsverlauf, sowohl im Hinblick auf digitale als auch physische Erkenntnisse. Im übrigen habe sich die Bundesregierung immer dazu bekannt, keine vollautonomen, KI-gestützten Technologien einzusetzen, und dabei bleibe es. Nach Angaben der Linken-Abgeordneten Donata Vogtschmidt sind seit der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 rund zwei Millionen Stunden an Gefechts- und Sensordaten zum Training von KI-Systemen gesammelt worden. gd