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Trumps großes Ablenkungsmanöver

Der martialische Venezuela-Vorstoß des US-Präsidenten soll auch innenpolitische Probleme kaschieren
December 4, 2025
December 3, 2025

Kolumne von Michael Backfisch

Nicolás Maduro regiert seit 2013 als Staatspräsident das ölreiche Venezuela mit eiserner Hand. Der US-kritische Sozialist entspricht Donald Trumps Feindschema. Die martialischen Drohkulissen sollen Maduro offenbar in die Flucht treiben (Foto: Eneas de Troya, Wikimedia Commons)

US-Präsident Donald Trump macht wieder einmal das Gegenteil von dem, was er angekündigt hat. Im Wahlkampf 2016 hatte er getönt, Amerika müsse seine „endlosen Kriege“ beenden. Getreu der Pazifismus-Hymne brüstet er sich heute gern damit, „acht Kriege“ beigelegt zu haben. Doch in der Karibik verfolgt Trump keine Olivenzweig-Diplomatie. Vielmehr werden die Kriegstrommeln gegen den venezolanischen Diktator Nicolás Maduro immer lauter.

Vor der Küste des südamerikanischen Landes hat der Chef des Weißen Hauses eine mächtige Armada zusammengezogen: Rund um den größten Flugzeugträger der Welt, die „USS Gerald R. Ford“, gruppieren sich mehrere Zerstörer, amphibische Angriffsschiffe und ein Langstreckenbomber. 15 000 Soldaten sind einsatzbereit. Offiziell wird die Mission als Kampf gegen das Drogenschmuggel-Netzwerk „Kartell der Sonnen“ („Cartel de los Soles“) verkauft, deren Chef Maduro sein soll. Mehr als 20 mutmaßliche Kurier-Schiffe haben die Amerikaner bereits zerstört. Mindestens 83 Menschen wurden dabei getötet. Zuletzt soll das US-Militär in einem zweiten Schlag zwei Männer liquidiert haben, die sich an das schwelende Wrack eines stark beschädigten Boots klammerten. Laut „Washington Post“ hat „Kriegsminister“ Pete Hegseth den Befehl dazu gegeben, was das Weiße Haus bestreitet.

Fest steht: Das Pentagon betreibt in der Karibik Selbstjustiz nach Gutsherrenart, was Völkerrechtler zur Weißglut bringt. Unter der Passepartout-Vokabel „Selbstverteidigung“ werden angebliche Rauschgiftschmuggel-Schiffe versenkt, als ob es sich um ein Computerspiel handelte. Beweise für den illegalen Transport von Kokain oder Fentanyl blieb Washington bislang schuldig. Hinzu kommt: Über Mexiko werden erheblich mehr Drogen in die USA geliefert, Venezuela ist vor allem Transitland für den europäischen Markt. Nicht nur der Maduro-Staat, auch andere Länder müssten mit US-Angriffen rechnen, drohte Trump unter Hinweis auf die Kokain-Fabriken in Kolumbien.

Besonders glaubwürdig ist der mit martialischem Getöse geführte Feldzug gegen die Rauschgiftmafia ohnehin nicht. So begnadigte Trump den in den USA wegen Drogenhandels im großen Stil zu 45 Jahren Gefängnis verurteilten Ex-Präsidenten von Honduras, Juan Orlando Hernández. Der konservative Politiker soll Rauschgiftschmugglern – unter anderem dem in den Vereinigten Staaten in Haft sitzenden mexikanischen Ex-Kartellchef Joaquín „El Chapo“ Guzmán – geholfen haben, Hunderttausende Kilogramm Kokain in Richtung Norden zu schleusen. Das US-Justizministerium hatte damals geschrieben, Hernández habe seine Macht missbraucht, um eine der größten und gewalttätigsten Verschwörungen im Bereich des Drogenhandels weltweit zu unterstützen. Das Weiße Haus begründete den Persilschein für Hernández mit dem dürren Hinweis, der Honduraner sei von der Biden-Administration hereingelegt worden.

Berichte in US-Medien lassen den Schluss zu, dass die Kampagne gegen venezolanische Drogenkartelle nur vorgeschoben ist. Nach Angaben der „New York Times“ hat Trump im Gespräch mit Vertrauten darauf verwiesen, dass Venezuela mit 300 Milliarden Barrel über die größten Ölreserven der Welt verfüge. Angesichts der überragenden Bedeutung, die der Präsident fossilen Energien beimisst, könnte dies der eigentliche Grund einer Militär-Operation sein. Darüber hinaus wird darüber spekuliert, dass Trump den verhassten Steinzeit-Sozialisten Maduro aus dem Amt drängen und durch einen amerikafreundlichen Nachfolger ersetzen will. In der vergangenen Woche hatte Trump mit dem Machthaber in Caracas telefoniert und ihm und seiner Familie laut der Zeitung „Miami Herald“ freies Geleit bei einem sofortigen Rücktritt angeboten. Maduro habe abgelehnt.

Trump dürfte die Drohkulisse weiter hochfahren. In der Hoffnung, dass der linksgerichtete Autokrat flieht. Militärschläge gegen das südamerikanische Land werden wahrscheinlicher. Einsätze seines Auslandsgeheimdienstes CIA hat Trump bereits autorisiert. Zudem kündigte er „sehr bald“ Boden-Operationen an. Den Luftraum über und um Venezuela hatte er für „geschlossen“ erklärt.

Es ist eine Wiederauflage der Monroe-Doktrin: US-Präsident James Monroe hatte 1823 die Devise „Amerika den Amerikanern“ verkündet. Es war eine Warnung an die europäischen Mächte, sich nicht in Nord- und Südamerika einzumischen. Heute ist jedoch nicht Europa der große Konkurrent in der westlichen Hemisphäre, sondern China. Die Regierung in Peking hat sich in den rohstoffreichen Ländern Lateinamerikas – auch in Venezuela – bereits privilegierte Zugänge zu Bodenschätzen gesichert. US-Medien bezeichnen den Kurs des Präsidenten bereits als „Donroe-Doktrin“.

Trumps Vorstoß in der Karibik hat wenig mit Konfliktlösung zu tun. Ein Angriff auf Venezuela oder ein gewaltsamer Umsturz ist hochriskant, weil er eine nicht kontrollierbare Dynamik auslöst. Die Interventionen des Westens im Irak, in Libyen oder in Afghanistan haben dies gezeigt. Trump, der aus dem Entertainment-Business kommt, hat einen Hang, Außenpolitik im Stile von PR-Stunts zu machen. Dass es ihm an Strategie und Weitsicht fehlt, illustriert auch die Entwicklung im Gazastreifen. Knapp zwei Monate nach dem Gipfel im ägyptischen Scharm el-Scheich, bei dem sich der US-Präsident mit großem Brimborium für seinen 20-Punkte-Plan feiern ließ, flammt der Krieg in der Küstenenklave wieder auf.

Der Grund für Trumps Aktionismus ist auch durch die Probleme an der Heimatfront begründet. Das neue „goldene Zeitalter“, das der Präsident bei seiner Amtseinführung den Amerikanerinnen und Amerikanern versprochen hatte, lässt weiter auf sich warten. Die Inflationsrate ist im September auf drei Prozent geklettert. Die Anfang April verkündeten Zölle gegen Freund und Feind dürften die Teuerung verschärfen. Das Verbrauchervertrauen in den USA ist auf ein Sieben-Monats-Tief gefallen. Laut einer in Trumps Haussender Fox News im November veröffentlichten Umfrage haben 76 Prozent der Amerikaner eine negative Meinung zur Wirtschaft. Das lag sogar unter dem Wert von Vorgänger Joe Biden zum Ende seiner Amtszeit. Steigende Preise hatten der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris maßgeblich die Wahl 2024 verhagelt. Knapp ein Jahr vor den Zwischenwahlen zum US-Kongress sind dies schlechte Vorzeichen für Trump.

Hinzu kommt, dass die großflächige Veröffentlichung bislang unter der Decke gehaltener Akten im Missbrauchsskandal rund um den Sexualverbrecher Jeffrey Epstein für neues politisches Feuer sorgen dürfte. Trump hatte über lange Zeit die Herausgabe der Dokumente blockiert. Damit schürte er Spekulationen, dass auch er – wie viele Prominente – in das Schattenreich der Prostitution seines ehemaligen Freundes Epstein verwickelt sein könnte. Das führte zu Rissen in seiner MAGA („Make-America-Great-Again“)-Bewegung. Der angekündigte Rückzug der einst glühenden Trump-Anhängerin Marjorie Taylor Greene aus dem Kongress ist nur eines von mehreren Beispielen.

Der Präsident handelt instinktgesteuert und erratisch. Er bedenkt nicht das Ende seiner Schritte. Vieles spricht dafür, dass er mit seinem Vorpreschen im Falle Venezuelas eine Pseudo-Handlungsfähigkeit demonstrieren will, um auch von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.