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Polen hat immer mehr Asylwerber, die aus Deutschland einreisen

Korrespondentengespräch in Berlin: Botschafter Jan Tombiński schildert neues Grenzphänomen
December 17, 2025
December 17, 2025
Polens Botschafter Jan Tombiński im Gespräch mit Auslandskorrespondenten, die er in die neue Botschaft Unter den Linden eingeladen hatte (Foto: Ellis de Leon)

Immer mehr Asylsuchende ziehen vom Westen in den Osten. „Wir verzeichnen einen Anstieg der Asylanträge in Polen von Personen, die aus Deutschland einreisen“, sagte Botschafter Jan Tombiński im Gespräch mit Auslandskorrespondenten in Berlin. Demnach versuchen Menschen, die zuvor in Deutschland oder anderen westeuropäischen EU-Ländern erfolglos Asyl beantragt hätten, nun in Polen Schutz zu erhalten.

Der Flüchtlingsstrom aus Westeuropa nach Polen sei unerwartet gekommen. Es handle sich zwar nicht um Tausende von Flüchtlingen, dennoch müsse Polen reagieren und die Anziehungskraft reduzieren. Der Diplomat ­berief sich auf sein Gespräch mit Vertretern der polnischen Grenzpolizei: „Die haben mir gesagt, dass sie dieses neue Phänomen beobachten."

 

Möglichst schnell zurück zu Schengen

 

Laut Tombiński – streng genommen ist er Geschäftsträger ad interim, da Polen ihn formal noch nicht als Botschafter entsandt hat – arbeiten die polnische und die deutsche Seite in Sachen Grenzschutz eng zusammen. "Die tagtägliche operationelle Zusammenarbeit geht nach dem,was ich von beiden Seiten weiß, sehr gut voran."

Beide Seiten versuchten, illegale Grenzübertritte zu verhindern. Polen wolle aber möglichst schnell zum Schengen-System mit offenen Grenzen zurückkehren. Ein Ende der Grenzkontrollen hatte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk von der deutschen Bundesregierung abhängig gemacht. Dazu müsse man die deutschen Minister befragen. "Wir waren bestimmt nicht interessiert an der Einführung der Grenzmaßnahmen", so Tombiński.

 

Grenze zu Belarus: Dichter als jede andere

 

Früher hatte es einen Flüchtlingsstrom aus Belarus gegeben. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte Flüchtlinge aus Krisengebieten an die EU-Außengrenze bringen lassen, um den Westen unter Druck zu setzen. Nach EU-Ansicht sei dies ein Sabotageakt von Russland und Belarus gewesen. Diese Grenze sei mittlerweile aber dichter als jede andere Grenze in Europa, sagte Tombiński.

Die Arbeiten an einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik kämen gut voran, wie Tombiński unter Berufung auf den polnischen und den deutschen Regierungschef betonte.

Der Botschafter berichtete auch von den jüngsten deutsch-polnischen Regierungskonsultationen, bei denen sich Bundeskanzler Friedrich Merz und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk auf drei Prioritäten konzentriert hätten: Sicherheit, Infrastruktur und Erinnerungskultur. Dennoch wurden die Gespräche von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine dominiert.

 

„Kopernikanische Wende“

Russlands Ambitionen hätten eine tiefgreifende Neubewertung der Beziehungen zwischen den Ländern des Bündnisses erzwungen. Dabei stehe das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen an vorderster Stelle. Nach Ansicht von Regierungschef Tusk erlebe die geopolitische Lage in der Region eine kopernikanische Wende, sagte Tombiński. So könne die enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen bei der Verteidigung der östlichen Grenze Europas, die zugleich Polens Ostgrenze ist, beschrieben werden.

Die Sicherheit Deutschlands und des europäischen Bündnisses insgesamt sei eng mit der Sicherheit Polens verknüpft, weshalb sich viele sicherheitspolitische Maßnahmen auf polnisches Staatsgebiet konzentrierten. Beispielsweise habe Deutschland nach dem Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum Eurofighter-Flugzeuge auf den Luftwaffenstützpunkt Malbork im Norden Polens geschickt. Beide Länder haben ihre Zusammenarbeit bei der Erkennung und Neutralisierung von Drohnen intensiviert und wollen bis 2026 ein verteidigungspolitisches Abkommen ausarbeiten.

Anfang 2025 sei außerdem in der polnischen Stadt Bydgoszcz das Gemeinsame NATO-Ukraine-Zentrum für Analyse, Ausbildung und Schulung eröffnet worden. Es soll Lehren aus dem Krieg gegen die Ukraine ziehen und die Interoperabilität der Ukraine mit der NATO stärken.

 

Ellis de Leon