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Sanktionen sind keine Strategie

Wie wirksam sind immer neue Strafmaßnahmen gegen Russland wirklich?
May 26, 2025
May 21, 2025

Von Gudrun Dometeit

Der Ölfrachter Eagle S steht unter dem Verdacht, zur russischen Schattenflotte zu gehören. Russland nutzt Schiffe unter anderer Flagge, um Ölexport-Sanktionen des Westens zu umgehen

Es klingt immer ein wenig nach einem Geschenk, wenn die Europäer mal wieder von einem Paket reden, das sie für Russland bereithalten. Diesmal also ist es das 17., kompakt, gemeinschaftlich geschnürt aber eines, das wohl wenig Freude bereiten wird. Vor wenigen Tagen hat die EU neue Sanktionen beschlossen: Weiteren 200 der bis zu 1000 Schiffe starken russischen Schattenflotte soll der Zugang zu Häfen verwehrt werden, um den illegalen Transport von Waren und Rohstoffen zu erschweren. Noch mehr Schiffahrtsunternehmen – auch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und Hongkong - , Versicherungen, Rüstungs-und Ölunternehmen sowie Einzelpersonen wurden auf die Sanktionsliste gesetzt.

 

Seit Beginn des Ukrainekrieges im Februar 2022 hat die EU damit rund 2400 Personen und Einrichtungen in Russland mit Handels- und Reiseverboten belegt, 28 Milliarden Euro Privatvermögen eingefroren – ebenso wie Staatsreserven in Höhe von 210 Milliarden Euro. Das Ausmaß der Sanktionen ist präzedenzlos in der Geschichte Europas.

 

Nach drei Jahren Krieg muss allerdings die Frage erlaubt sein, was die immer weitere Eskalation der Bestrafungsaktionen, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) gerade wieder so triumphierend ankündigte, eigentlich bringt. Sanktionen sind seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu einem immer beliebteren Instrument europäischer (und auch amerikanischer) Außenpolitik geworden. Sie sind geradezu ein Markenzeichen. Derzeit wendet Europa rund 40 Sanktionsregime an, nicht nur gegen Russland sondern u.a. auch gegen Belarus, Venezuela, Iran, China, Syrien. Gegenüber letzterem will die EU die Zwangsmaßnahmen jetzt immerhin lockern. Dabei haben alle  wissenschaftlichen Auswertungen bisher ergeben, dass Sanktionen nur selten erfolgreich waren, auf jeden Fall nicht, wenn sie auf eine grundsätzliche Politik- oder Verhaltensänderung anderer Staaten abzielten.

 

Deshalb wirkte der Versuch der Europäer vor wenigen Tagen, Russlands Präsidenten Wladimir Putin mit Hilfe eines neuen Sanktionspakets zu einem Waffenstillstand in der Ukraine zu zwingen, mit Verlaub – naiv. Russlands Wirtschaft hat gelitten unter den ökonomischen Restriktionen des Westens, ohne Frage. Und auch die neuen Sanktionen werden schmerzen. Die Kriegswirtschaft macht schon jetzt 40 Prozent des Budgets aus, die Inflation steigt, die Preise für Medikamente oder Nahrungsmittel klettern ebenfalls. Und sicher hat die Sanktionspolitik auch Russlands militärische Fähigkeiten im Krieg gegen die Ukraine beeinträchtigt.

 

Aber solange sich Staaten wie China, Indien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Türkei nicht an den Strafmaßnahmen beteiligen, wird sich das Kosten-Nutzen-Kalkül für Putin im Rahmen halten. Auch sogenannte smarte Sanktionen gegen Mitglieder der Kreml-Elite oder Oligarchie sind praktisch wirkungslos geblieben - die Hoffnung darauf, dass sie sich gegen Putin wenden könnten, es gar zu einem Regimewechsel kommt, hat sich nicht erfüllt. Aus einer Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, die auch die Bundesregierung berät, geht hervor, dass sich die Führungsschicht in autoritären Staaten mit zunehmendem Druck von außen eher enger um ihren Anführer schart. Und dass die Gewaltbereitschaft nach innen und außen zunehmen kann.  

 

Sanktionen ersetzen auch keine Strategie. Was sollte einem Waffenstillstand von 30 Tagen folgen? Welche Anreize könnte Europa für wirkliche Verhandlungen schaffen? Welche eigenständigen Überlegungen, die nicht von Donald Trump abhängen, stellen europäische Spitzenpolitiker dazu an? Da hört man wenig. Immerhin kann man dem US-Präsidenten nicht absprechen, dass er Bewegung in die festgefahrene Situation gebracht hat. Mit den Details von Verhandlungen wird er sich nicht abmühen wollen - eine Chance für die Europäer. Deren Ankündigung weiterer Sanktionen wirkt da leider eher wie eine Ersatzhandlung, gedacht als Selbstbeschwörung neuer Einigkeit, aber nicht als ernsthafter Plan, den Krieg in der Ukraine zu beenden.