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"Wenn einem nicht jeden Tag mit Gefängnis gedroht wird, dann tut man nicht genug."

Der frühere demokratische US-Vizepräsidentschaftskandidat und Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, wirbt für mehr Kooperation mit deutschen Unternehmen und versucht die US-Politik zu erklären
November 22, 2025
November 22, 2025
Time Walz, US-Vizepräsidentschaftskandidat der Demokratin Kamala Harris im vorigen Jahr,  wirbt für Investitionen in Minnesota. Seit Januar 2019 führt der ehemalige Highschool-Lehrer den US-Bundesstaat als Gouverneur (Foto: Dometeit)

 

Der ehemalige demokratische US-Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz hofft auf eine Veränderung der politischen Verhältnisse in den USA bei den Zwischenwahlen im November nächsten Jahres. Dann wird das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt, die „Midterms“ gelten als Abstimmung über die Politik des jeweiligen US-Präsidenten in der Halbzeit der Legislaturperiode. Bei der Präsidentschaftswahl im vorigen Jahr habe nur etwa ein Drittel der Wähler für Donald Trump gestimmt, ein Drittel für ihn und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und ein Drittel gar nicht, sagte Walz bei einer Veranstaltung des Aspen Instituts und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Er glaube nicht, dass die Nicht-Wähler bei der nächsten Wahl auch zu Hause bleiben würden. „Aber das werden wir in elf Monaten bei den Midterms herausfinden. Darauf werden wir uns konzentrieren.“

 

Walz, seit 2019 Gouverneur von Minnesota, tourte in den vergangenen Tagen mit einer über 70-köpfigen Delegation durch Deutschland, um für Kooperationen und Investitionen in seinem Bundesstaat zu werben, darunter in Düsseldorf als Gast des Amerikahauses. Diese Institute seien nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eingerichtet worden, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freien Handel zu propagieren. „Wir brauchen genau so ein Amerikahaus nun in Amerika“, rief Walz. Er sei kein Alarmist, im Gegenteil, als ehemaliger Highschoollehrer eher zwangsläufig kontrolliert, aber seit Januar weise alles auf die Erosion von Demokratie und Menschenrechten in den USA hin. Man solle sich auf das Schlimmste vorbereiten, habe er Anfang des Jahres prophezeit und leider Recht behalten.

Saudi-Arabien, für dessen Kronprinz Mohammed bin Salman Trump gerade im Weißen Haus ein Staatsdinner gegeben habe, sei für den Mord an Jamal Kashoggi nie zur Rechenschaft gezogen worden. Der Präsident habe die Tat auch noch verteidigt und stattdessen Kashoggi angegriffen. Und gerade habe er zur öffentlichen Exekution von US-Senatoren aufgerufen, die im Militär dienten und schlicht darauf hingewiesen hätten, dass jedem dort beigebracht werde, ungesetzliche Befehle zurückzuweisen und das öffentlich zu machen. Womöglich bereite Trump selber solche Befehle vor.

Walz wies darauf hin, dass es bislang in der US-Außenpolitik und in den transatlantischen Beziehungen eine weitgehende Beständigkeit unabhängig von der politischen Zugehörigkeit der Präsidenten gegeben habe. Gemeinsam mit den Europäern sei man der Überzeugung gewesen, dass die Nato fundamental wichtig für die Sicherheit aller Staaten sei, transatlantischer Handel ebenfalls allen zugute komme und dass, wenn alle zusammen hielten, es noch ein bisschen besser werde. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz hätten Vize-Präsident J.D.Vance und Verteidigungs-(Kriegs)minister Pete Hegseth dagegen eine sehr andere Weltsicht beschrieben.

 

„Ich frage mich, und die Frage richtet sich auch an meine Mit-Gouverneure, die über Autonomie und Befugnisse verfügen: Tun wir genug (dagegen)?“ rief Walz. Er denke dabei an die Auswirkungen der Handelsrestriktionen, den Rückzug der amerikanischen Soft power und die Auflösung von USAid. Beispielsweise sei die Bekämpfung von AIDS in Afrika, nun gefährdet. „Meine rote Linie ist: Wenn einem nicht jede Woche mit Gefängnis gedroht wird, wie einigen von uns, mich eingeschlossen, dann tut man nicht genug.“ Walz räumte ein, dass die Amerikaner derzeit keine verlässlichen Partner seien, und lobte das Engagement der Europäer insbesondere in der Ukraine-Krise trotz der massiven Auswirkungen auf die eigenen Ökonomien und Gesellschaften durch die kurzfristige Erhöhung der Verteidigungsausgaben und die Integration von Kriegsflüchtlingen.

 

Die US-Bundesstaaten seien Laboratorien für Demokratie, warb der Gouverneur, mit der Möglichkeit, ihre Politik zum Beispiel in Sachen Klimawandel oder Innovation selber zu lenken. Alle seien sehr unterschiedlich. Beispielsweise unterhalte Minnesota engere Beziehungen zu Kanada als zu den USA. Als Trump von Kanada als dem 51. US-Bundesstaat sprach, habe der Premierminister der kanadischen Provinz Ontario, Doug Ford, gekontert, dass Minnesota dann ja die elfte Provinz in Kanada werden könne. Der äußerst wasserreiche Bundesstaat im Mittleren Westen der USA mit rund 5, 8 Millionen Einwohnern setzt nach Walz‘ Worten auf konsequente Dekarbonisierung bis 2040. Als mögliche Kooperationsfelder mit deutschen Unternehmen und Wissenschaftlern nannte er den Gesundheitssektor, eine nachhaltige Landwirtschaft und Energie. gd