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Als Kim Jong-un im Außenministerium anrief und keiner abhob

Insider enthüllt Pannenserie in Pjöngjang, die zum Scheitern des Nordkorea-USA-Gipfels 2019 in Hanoi geführt hat
June 23, 2025
June 22, 2025

Von Ewald König

Verpasste historische Gelegenheit: Kim Jong-un und Donald Trump im Februar 2019 in Hanoi (Public Domain)

Für das Scheitern des Gipfeltreffens zwischen US-Präsident Donald Trump und dem nordkoreanischen Führer Kim Jong-un vor sechs Jahren gab es zahlreiche Erklärungsversuche. Nun enthüllt ein Insider, was auf der nordkoreanischen Seite schief gelaufen war, und gewährt damit tiefe Einblicke in das isolierte Land auf der koreanischen Halbinsel.

Es war ein historisches und vielversprechendes Zeitfenster: Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un und sein Erzfeind, US-Präsident Donald Trump, trafen Ende Februar 2019 zum zweiten Mal zusammen. Es sollte um die Aufhebung der UN-Sanktionen und Denuklearisierung gehen. Die historische Begegnung fand in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi statt – bis Trump das geplante Abschlussessen und gemeinsame Erklärung platzen ließ und spontan abreiste.

In den Analysen hieß es, Nordkorea habe den vollständigen Sanktionsabbau gefordert, was die USA nicht akzeptieren wollten, und die USA habe die vollständige Aufgabe des Atomprogramms gefordert, was wiederum Nordkorea nicht akzeptieren wollte. Die USA wollten Nordkorea Erleichterungen erst dann zugestehen, wenn es Fortschritte im Abrüstung vorweisen könne. Nordkorea hingegen wollte konkrete Erleichterungen von Anfang an.

Wegen schlechter Vorbereitung geplatzt

Dass der Gipfel von Hanoi wegen schlechter Vorbereitung platzte, wurde zunächst eher der amerikanischen Seite angelastet. Nun beschrieb ein ehemaliger nordkoreanischer Diplomat in einem südkoreanischen Medium, was der tatsächliche Grund für das Scheitern gewesen sei. 

Demzufolge ist in Wahrheit in Pjöngjang einiges schief gelaufen. Es gab dramatische Machtkämpfe zwischen dem nordkoreanischen Außenministerium, der Internationalen Abteilung in der Partei und dem sogenannten Vereinigten Frontausschuss. Dieser Frontausschuss ist eine Abteilung des Zentralkomitees der herrschenden Partei Nordkoreas. Er spielt eine zentrale Rolle in der außenpolitischen und innerkoreanischen Strategie Nordkoreas, besonders gegenüber Südkorea, und ist zuständig für offizielle und inoffizielle Kontakte zu Südkorea, aber auch für Propaganda und Spionage. 

Choe Son-hui als Schlüsselfigur

Elitediplomatin und Außenministerin Nordkoreas Choe Son-hui

Die Schlüsselfigur ist Choe Son-hui (61), die erste Außenministerin Nordkoreas, eine erfahrene Diplomatin. Sie erlangte erst über Umweg die Gunst Kim Jong-uns. Als das Gipfeltreffen von Hanoi vorbereitet werden sollte, wurde der damalige USA-Beauftragte im nordkoreanischen Außenministerium wegen Spionageverdachts verhaftet und hingerichtet. Daher konnte er an einem Staatsbankett nicht teilnehmen. So wurde Choe Son-hui, Leiterin der USA-Abteilung, eingesetzt. Und als Außenminister Ri Yong-ho wegen Korruptionsvorwürfen und anderer Skandale abgesetzt wurde, wurde sie zur Nachfolgerin ernannt.

Die Vorbereitung des Hanoi-Gipfels fand jedoch ohne das Ministerium statt – wegen mehrerer Vorfälle, die Kim Jong-uns Zorn erregt hatten. Im Außenministerium, wo stets ein hochrangiger Beamter für Kim telefonisch sofort erreichbar sein musste, hob bei zwei Anrufen des Staatschefs niemand ab. Erbost entzog Kim dem Ministerium die Zuständigkeit für die Gipfelvorbereitungen und übertrug die Leitung dem Internationalen Sekretär der Partei. Das Ministerium blieb ausgeschlossen, das Elitepersonal entmachtet. 

Extrem loyal, aber inkompetent

Wegen mangelnder Erfahrung suchte der Internationale Sekretär bald die Unterstützung des Vereinigten Frontausschusses. Beide Institutionen zeichneten sich durch extreme Loyalität aus, waren aber inkompetent. Sie trugen die Verantwortung für das Scheitern des Gipfels. Eine Säuberungswelle war die Folge. Seither weiß Kim Jong-un das Außenministerium wieder wertzuschätzen.

Der Autor dieser Insider-Berichte, Han Jin-myung, hatte im nordkoreanischen Außenministerium in mehreren Abteilungen gearbeitet und war Botschaftssekretär an der Mission seines Landes in Vietnam. Von dort floh er „über diplomatische Kanäle“ nach Südkorea. Er prognostiziert, dass Nordkorea einen weiteres Gipfeltreffen mit Trump anstrebt und zu Zugeständnissen bereit sein könnte. Dafür brauche es jedoch eine eindeutige „überlegene Verhandlungsposition“, nämlich den Besitz von Atomwaffen. Somit kommt der Außenministerin Choe Son-hui zentrale Bedeutung zu.

Nordkorea wieder zu Treffen mit USA bereit

Mit einem weiteren Atomtest werde Nordkorea der internationalen Gemeinschaft seine Atomwaffenpräsenz klar beweisen wollen und damit indirekt Interesse an einem Nordkorea-USA-Gipfel zeigen. Nordkorea werde eine Vielzahl grundsätzlicher Themen auf den Verhandlungstisch legen, um die US-Forderung nach „Atomverzicht“ in Verhandlungen über „Atomabrüstung“ umzuwandeln, mutmaßt der Autor. 

Im Außenministerium Nordkoreas gebe es zwar eine Abteilung für Abrüstung, auf die sich Kim berufen werde, wenn er die USA zu Abrüstungsverhandlungen auffordere. Doch warnt der Autor vor einem Missverständnis. Die Aufgaben dieser Abrüstungsabteilung seien nicht dasselbe, was Südkorea und die USA unter „Abrüstung“ verstünden.