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Merz: Deutschland will die Weltneuordnung mitgestalten

Bundeskanzler Friedrich Merz fordert eine pragmatische, interessengeleitete Politik auf der Botschafterkonferenz in Berlin
September 9, 2025
September 8, 2025

Friedrich Merz skizziert vor deutschen Botschaftern und internationalen Gästen im Auswärtigen Amt die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik (Foto: Dometeit)

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich gegen Vorhaltungen gewehrt, er kümmere sich zu sehr um die Außen- und zu wenig um die Innenpolitik Deutschlands. Er sei überrascht von solchen Vorwürfen, denn das Engagement im Äußeren diene auch dazu, Frieden und Freiheit im Inneren zu verteidigen, sagte Merz zum Auftakt der 23. Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt in Berlin. Bei der Konferenz treffen sich einmal im Jahr die Leiter und Leiterinnen der rund 230 deutschen Auslandsvertretungen, um über aktuelle Themen der Außen- und Sicherheitspolitik zu sprechen.

Innen-, Wirtschafts-, Handels-, Verteidigungs- und Außenpolitik könne man nicht mehr fein säuberlich voneinander trennen, so Merz. Angesichts eines neuen Systemkonflikts zwischen liberalen Demokratien und einer Achse der Autokratien stehe Europa jetzt vor der sehr grundsätzlichen Aufgabe, eine neue Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die auf Jahrzehnte tragfähig sein sollte. „Wenn wir handlungsfähig sein wollen, müssen wir strategisch und vernetzt denken. Dazu brauchen wir eine pragmatische Außen- und Sicherheitspolitik, die an unseren und auch an Europas Interessen orientiert ist.“  Es sei das erste Mal seit 25 Jahren und eine besondere Ehre, so hatte Außenminister Johann Wadephul zuvor betont, dass ein Bundeskanzler wieder eine Botschafterkonferenz eröffne. Zuletzt hatte das Gerhard Schröder (SPD) getan.

 

Deutschland sehe sich als globaler Akteur, es wolle die Weltneuordnung mitgestalten, betonte der Kanzler. Es müsse allerdings noch einige Hausaufgaben erledigen, vor allem in der Wettbewerbs- und Verteidigungsfähigkeit. Die deutsch-französische Partnerschaft sei dabei ein Taktgeber. Merz bezeichnete sie als „Herzkammer Europas, die wieder kraftvoll schlägt“. Auf die augenblicklichen innenpolitischen Probleme Frankreichs ging der CDU-Politiker nicht ein. Russlands Präsidenten Wladimir Putin warf er vor, dass dessen imperialistischer Plan nicht mit der Eroberung der Ukraine enden sondern erst beginnen würde. Darauf deute alles hin. Die Nato bleibe das Rückgrat einer neuen Sicherheitsarchitektur, auch wenn der europäische Pfeiler gestärkt werden müsse. Das Verhältnis zu den USA wandele sich. „Auch wir in Europa müssen unsere Interessen neu justieren.“  Man stehe zu einer engen Partnerschaft, aber sie werde abnehmen. Daher müsse Deutschland noch offensiver neue Partnerschaften aufbauen. „Wir können es uns als rohstoffarmes Industrieland nicht leisten, wieder abhängig zu werden. Das macht uns erpressbar." Mit China beispielsweise suche man die Zusammenarbeit, erkenne aber zur gleichen Zeit, das die Systemrivalität zunehme.

                                                                                                                                                                                         

Seinem Außenminister bescheinigte Merz ausdrücklich, gute Arbeit zu leisten. Die Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt sei von Anfang reibungslos verlaufen. „Lieber Joe, bei hohem Wellengang dieses Amt übernommen zu haben, dafür sage ich herzlichen Dank. Mit Deinem starken Kompass hast Du in kürzester Zeit unter Beweis gestellt, dass Du der richtige bist, dieses Amt zu führen.“ Wadephul selber hatte in seinen Eingangsworten vom „Team Deutschland“ gesprochen, das eine Außenpolitik aus einem Guss verfolge, in dem es auch von Seiten des Amts kein kleinliches Hickhack mit anderen Ressorts gebe. Seine Aussagen machte er offenbar im Hinblick auf angebliche oder tatsächliche Unstimmigkeiten zwischen ihm und dem Bundeskanzler.  

Bei den Zuhörern im vollbesetzten historischen „Weltsaal“ des Auswärtigen Amts – der einst als Kassenhalle der Deutschen Reichsbank diente - kam besonders gut an, dass sich sowohl der Außenminister wie auch der Kanzler bei Mitarbeitern wie Familien der Diplomaten für ihre Einsatz- und Opferbereitschaft bedankten. Weltweit sind rund 13 000 Beschäftigte für die deutsche Diplomatie tätig. Am morgigen Dienstag werden die Botschafter  mit Unternehmensvertretern zusammenkommen. Der Wirtschaftstag startet mit einem Gespräch zwischen der finnischen Außenministerin Elina Valtonen und Außenminister Wadephul. gd